Amerikanische Wissenschaftler haben auf Maisfeldern verschiedene Bakterienarten gefunden, die einen wahren Heißhunger auf die als „möglicherweise beim Menschen krebserregend“ eingestufte Substanz Atrazin entwickeln. Das Unkrautvernichtungsmittel wurde in Deutschland zwar bereits vor drei Jahren verboten, die Chemikalie ist aber noch immer mit unschöner Regelmäßigkeit im Trinkwasser nachweisbar, wie eine Aufstellung des Berliner Umweltbundesamtes belegt. Im Zeitraum von 1988 bis 1992 wurden demnach insgesamt 11612 Wasserproben auf Atrazin untersucht; 4815-mal war die Substanz nachweisbar. In einem Viertel der Fälle wurde sogar der gültige EG-Grenzwert von einem zehnmillionstel Gramm pro Liter überschritten.
Auch in den Vereinigten Staaten gelten seit Anfang 1993 strenge Grenzwerte, doch werden jährlich noch immer rund 25000 Tonnen auf den Äckern verteilt. So kommt es nach wie vor zur Verseuchung von Böden durch Unfälle bei Transport und Lagerung der Substanz. Mit den jetzt entdeckten Mikroben hofft Ronald F. Turco, Professor für Agrarwissenschaften an der Purdue Universität in West Lafayette, eine Lösung für dieses Problem gefunden zu haben. Im Labor haben die Bakterien ihren Nutzen schon unter Beweis gestellt: Wie Turco in der Fachzeitschrift „Biodegradation“ berichtet, wurden innerhalb von 150 Tagen 86 Prozent des Atrazins in stark verseuchten Bodenproben vernichtet. Der feine Unterschied zu bereits bekannten Giftfressern besteht darin, daß keine schädlichen Rückstände verbleiben.
„Die Mikroben wandeln Atrazin vollständig zu Kohlendioxid und Biomasse um“, bemerkte Turco. Da von 20 Arten, die bisher untersucht wurden, keine in der Lage war, Atrazin alleine abzubauen, muß es sich um eine Art von Teamwork handeln, folgerte der Argarexperte. Allerdings dürfe man die Leistung der Winzlinge auch nicht überschätzen. Sie wären zwar zur Reinigung stark verseuchter Böden geeignet, nicht aber zur Beseitigung der relativ geringen Mengen in belastetem Trinkwasser.
(erschienen in der Berliner Morgenpost am 6.3.1994)
Quellen:
- Assaf, N.A., Turco, R.F. Accelerated biodegradation of atrazine by a microbial consortium is possible in culture and soil. Biodegradation 5, 29–35 (1994).
- Pressestelle der Purdue Universität.
- Gespräch mit Turco.
- Jahresbericht 1992 des Umweltbundesamtes.