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German Geneticists Get Some Relief

zur Abwechslung ´mal ein Beitrag für internationales Publikum: Im Science Magazine erschien in englischer Sprache ein Artikel, in dem ich über das Gentechnik-Gesetz berichte, dessen strenge Bestimmungen zu Jahresbeginn etwas gelockert wurden.

Zitiert werden Detlef Ganten, damals Leiter des Max Delbrück Centrums für Molekulare Medizin in Berlin, und Beatrix Tappeser vom Öko-Institut Freiburg.

Über den obigen Link bekommt mal leider nur einen Ausschnitt zu sehen. Den Volltext darf ich hier nicht einstellen, weil ich sonst womöglich Ärger kriege – obwohl ich der Urheber bin!

(erschienen am 7. Januar 1994 in Science)

Weniger Hürden für die Gentechnik

Verbraucherinitiativen und Umweltschutzverbände, die der Gentechnik kritisch gegenüberstehen, sehen sich ab Anfang nächsten Jahres einer ihrer wichtigsten Waffen beraubt: Öffentliche Anhörungen werden im Rahmen von Genehmigungsverfahren für die meisten Produktions- und Forschungsanlagen abgeschafft. Auch wenn die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen diskutiert wird, müssen besorgte Anwohner ebenso wie weitgereiste Fundamentalisten künftig auf das Medienspektakel einer öffentlichen Anhörung verzichten.

Als „eine skandalöse Nacht- und Nebelaktion, mit der handstreichartig versucht wird, die Bürgerinnen und Bürger aus der Diskussion um die Gentechnik auszugrenzen“, kritisierte denn auch Beatrix Tappeser vom Öko-Institut Freiburg die von der Regierungskoalition durchgesetzten Änderungen. „In den vergangenen Wochen avancierte die Gentechnik zum traurigen Exempel für den Abbau von Öffentlichkeitsrechten“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von 25 Umweltorganisationen, Forschungsinstituten und Bürgerinitiativen. Dabei wird allerdings verschwiegen, daß – schriftlich formulierte – Einwände gegen die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen nach wie vor von Bundesgesundheitsamt, Umweltbundesamt und der Biologischen Bundesanstalt Braunschweig im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens geprüft werden müssen.

Schneller als erwartet haben sich Bund und Länder über die noch offenen Fragen bei der Novellierung des Gentechnikgesetzes geeinigt. Die von Gesundheitsminister Horst Seehofer angestrebten Vereinfachungen werden damit ohne wesentliche Abstriche zum Jahresbeginn Gesetzeskraft erlangen – nicht zuletzt deshalb, weil weitreichende Änderungswünsche auf einer Sitzung des Bundesrates am 5. November nicht von allen SPD-regierten Ländern getragen wurden. Das verzweifelte Bemühen des Gesetzgebers, der nach eigenem Bekunden kaum noch wettbewerbsfähigen deutschen Gentechnikbranche neues Leben einzuhauchen, findet damit seinen vorläufigen Abschluß.

Neben der drastischen Reduktion der Anhörungen hat auch die Verkürzung beziehungsweise Abschaffung der Genehmigungsverfahren für Arbeiten in den Sicherheitsstufen 1 und 2 als wichtigstes Element der Novelle die Beratungen unbeschadet überstanden. Die Sicherheitsstufe 1 betrifft Organismen wie das Darmbakterium Escherichia coli oder die Bäckerhefe, die kein Risiko für Mensch und Umwelt darstellen. Hier wird künftig in jedem Fall eine Anmeldung genügen. Die bisher vorgeschriebene Beteiligung eines Expertengremiums – der Zentralen Kommission für biologische Sicherheit – entfällt.

Vereinfachungen gibt es auch für die Sicherheitsstufe 2 („geringes Risiko“), in der sich nicht nur Bakterien wie die Erreger von Cholera und Legionärskrankheit finden, sondern auch Pilze der Gattungen Aspergillus und Candida, die bei immungeschwächten Patienten lebensbedrohliche Infektionen hervorrufen können. Bei Forschungsarbeiten mit diesen Organismen bleibt den Behörden künftig nur noch ein Monat, um einen Genehmigungsantrag zu bearbeiten, statt wie bisher drei. Ein nicht fristgerecht bearbeiteter Antrag gilt als genehmigt. Öffentliche Anhörungen für gewerbliche Anlagen wird es nur noch in den Fällen geben, wo dies ohnehin nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz vorgeschrieben ist.

Im Vermittlungsausschuß mußten letzte Woche nur noch zwei Punkte geklärt werden, wobei sich in beiden Fällen die Länder mit ihren Vorstellungen durchsetzen konnten. Demnach wird die Zustimmung des Bundesrates bei Rechtsverordnungen, die der Umsetzung von EG-Richtlinien dienen, auch weiterhin erforderlich sein. Eine von Regierung und Koalition vorgesehene Konzentration der Entscheidungsgewalt beim Bau gentechnischer Anlagen ist ebenfalls vom Tisch. Neben den für die Gentechnik zuständigen Behörden müssen damit auch weiterhin beispielsweise die für Bau- und Wasserrecht zuständigen Ämter konsultiert werden.

Eine Identität zwischen geltenden EG-Richtlinien und dem Gentechnikgesetz ist damit allerdings noch nicht hergestellt, wie Wolf-Michael Catenhusen (SPD) einräumte. Ausgeklammert wurde auch die Frage, ob Pilotanlagen für die Herstellung klinischer Prüfware ein Genehmigungsverfahren durchlaufen müssen, sagte der ehemalige Vorsitzende der Enquete-Kommission „Chancen und Risiken der Gentechnik“. Als einziges Bundesland beharrte Hessen bisher auf dieser sogenannten 10-Liter-Regelung und machte damit vor allem der Frankfurter Hoechst AG das Leben schwer.

Davon unbeirrt hat sich der Großkonzern inzwischen erneut aufs Glatteis begeben: Im bayerischen Germering kann es Anfang November wieder einmal zu Protesten gegen geplante Freilandversuche; diesmal mit gentechnisch veränderten Mais- und Rapspflanzen. Die Gewächse unterscheiden sich von ihren natürlichen Artgenossen durch ein zusätzliches Gen, welches sie unempfindlich macht gegenüber dem von der Hoechst AG hergestellten Unkrautvernichtungsmittel „Basta“ (Phosphinotricin).

Auf der vom Bundesgesundheitsamt (BGA) geführten Anhörung waren zwar nur rund 200 der 20000 Einwender erschienen, um ihre Argumente mündlich vorzutragen. Ob diese sich aber in Zukunft an die neuen Spielregeln des Gentechnikgesetzes halten werden, ist keineswegs sicher. Medienvertreter sehen der Fortsetzung des Verfahrens am 13.12. daher mit Spannung entgegen. Genehmigt werden dürfen Freilandversuche auch nach der Novellierung nur dann, „wenn nach dem Stand der Wissenschaft im Verhältnis zum Zweck der Freisetzung unvertretbare schädliche Einwirkungen auf Leben und Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen sowie die sonstige Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge und Sachgüter nicht zu erwarten sind.“

Neben dem vom Lehrstuhl für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung der Technischen Universität München gestellten Antrag liegen dem BGA noch sechs weitere vor: Die Universität Bielefeld beabsichtigt an zwei Standorten in Niedersachsen und Brandenburg gentechnisch veränderte Stämme des Bakteriums Rhizobium meliloti freizusetzen. Die Bakterien gehören zur Familie der „Knöllchenbildner“, die Stickstoff aus der Luft binden und ihren pflanzlichen Symbiosepartnern als Dünger zur Verfügung stellen können. Außerdem will das Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln Kartoffelpflanzen erproben, die mit gentechnischen Methoden gegen das Kartoffelblattrollvirus immunisiert wurden.

Die meisten Anträge, nämlich fünf von sieben, betreffen aber Pflanzen, die gegen das Hoechst-Herbizid Basta resistent sind.  Während der Versuch in Germering von Mitarbeitern der TU München durchgeführt wird, plant Hoechst unter eigener Regie vier ähnliche Experimente in Gersten (Niedersachsen), Friemar (Thüringen) Wörrstadt (Rheinland-Pfalz) und Gersthofen bei Augsburg.

Die Versuche sind Voraussetzung für eine kommerzielle Nutzung des Gens auch in Deutschland. Über die Größe dieses Marktes konnte Hoechst-Pressesprecher Jürgen Cantstetter keine Angaben machen. „Aber wenn es zu einer Zulassung kommt, wollen wir das sehr breit vermarkten.“ Dabei denkt man in Frankfurt nicht daran, genmanipulierte Pflanzen – etwa durch eine Tochterfirma – selbst zu Vertreiben. Vielmehr soll interessierten Saatgutproduzenten eine Lizenz angeboten werden, die es den Firmen erlauben würde, das Resistenzgen in ihre eigenen Sorten einzuklonieren. Weil dieser zusätzliche Arbeitsaufwand das Saatgut eher verteuern würde, rechnet Cantstetter nicht damit, daß die herbizidresistenten Gewächse in Entwicklungsländern zum Einsatz kommen.

Bereits getestet wurden Basta-resistente Tabak- und Tomatenpflanzen 1989 in Frankreich und Kanada, in den Jahren 1990 bis 1992 außerdem Sommerraps und Winterraps, Mais und Sojabohnen. Dabei sei „auf eindrucksvolle Weise die ausgezeichnete Verträglichkeit der gegenüber dem Herbizid resistenten Pflanzen“ bestätigt worden, sagte Dr. Ernst Rasche, Leiter der Geschäftseinheit Saatgut des Konzerns. Bei einem dreijährigen Versuchsprojekt zur Sicherheitsforschung, das im englischen Ascot von Wissenschaftlern des Imperial College Silwood Park durchgeführt wurde, seien keine besonderen Risiken festgestellt worden. Allerdings kam Basta damals beim Vergleich der Wettbewerbsfähigkeit transgener Rapspflanzen mit ihren unveränderten Stammlinien gar nicht zum Einsatz. Auch die Frage, ob das Resistenzgen – wie von Kritikern behauptet – auf andere Pflanzen und möglicherweise Bodenbakterien übertragen werden kann, und ob dies nachteilige Folgen für das jeweilige Ökosystem hätte, wurde bisher nicht eindeutig beantwortet.

Umstritten ist zudem, ob der Einsatz herbizidresistenter Kulturpflanzen letztlich zu einer umweltverträglicheren Unkrautbekämpfung führen wird oder zu einem erhöhten Verbrauch von „Pflanzenschutzmitteln“. Einerseits würden zum Schutz der Kulturen vergleichsweise geringe Mengen Basta ausreichen, das schnell zu unschädlichen Folgeprodukten abgebaut wird. Andererseits könnte die Verlockung groß sein, gerade deshalb alles „totzuspritzen“, was sich nicht verkaufen läßt.

Ein Blick auf die Statistik zeigt jedenfalls, daß fast 70 Prozent der rund 1000 Freilandversuche an über 40 Pflanzenarten, die bisher in den OECD-Staaten genehmigt wurden, die Entwicklung herbizidresistenter Gewächse zum Ziel hatten. Der Rest verteilt sich auf Experimente zum Schutz vor Insekten, Viren und anderen Krankheitserregern.

Die geplanten Versuche der Hoechst AG sollen mit der Aussaat Anfang Mai 1994 beginnen und nach drei Vegetationsperioden mit der Ernte im Oktober 1996 abgeschlossen sein. Neben der Zulassung sollen sie laut Firmenangaben auch „Erkenntnisse über die Vorteile dieses Herbizids im Vergleich zu herkömmlichen Behandlungsverfahren liefern“. Erstmals zugelassen wurde Phosphinotricin 1984 in Deutschland, mittlerweile wird es in 45 Ländern als sogenanntes Totalherbizid verkauft, das Kulturpflanzen und Unkräuter gleichermaßen schädigt und darum bisher weitgehend auf den Obst- und Weinbau beschränkt war. Per Gentransfer, so hoffen die Hoechster, könnte dieses Manko überwunden werden. Der Weg dahin erscheint – zumindest im Rückblick – gleichermaßen logisch und clever:

Phosphinotricin hat strukturelle Ähnlichkeit mit der in jedem Organismus vorkommenden Glutaminsäure, einem der rund zwanzig Bausteine, aus denen Proteine zusammengesetzt werden. Es hemmt ein Enzym, das Glutaminsäure und Ammoniak zu Glutamin – einem weiteren Eiweißbaustein – verbindet. Letztlich stirbt die Pflanze also an einer „Ammoniakvergiftung“. Bei Mensch und Tier wird Ammoniak dagegen durch einen anderen Entgiftungsmechanismus entsorgt.

Um nun die Wirkung von Basta auf die „unerwünschte Begleitflora“ zu begrenzen, verfielen Wissenschaftler bei der belgischen Biotechnologiefirma Plant Genetics Systems und bei Hoechst unabhängig voneinander auf die Idee, die schützenswerten Kulturpflanzen mit einem Resistenzgen auszustatten, welches Phosphinotricin zerstört. Sie fanden solch ein Gen in Bakterien der Gattung Streptomyces und übertrugen es auf eine Vielzahl von Nutzpflanzen.

Ähnliche Versuche mit einem anderen Resistenzgen sind auch bei den Firmen Ciba-Geigy, Du Pont, ICI, Shell und Unilever schon weit fortgeschritten. Auch wenn die Produkte der Chemieriesen bisher noch nirgendwo auf dem Markt sind, scheint die Entwicklung kaum mehr anzuhalten. Die bereits 1987 ausgesprochene Ablehnung herbizidresistenter Pflanzen durch die Enquete-Kommission „Chancen und Risiken der Gentechnologie“ des Bundestages ist offenbar ungehört verhallt.

(erschienen in den VDI-Nachrichten vom 3. Dezember 1993)

Streit um Genfood

Von „Genfraß“ und „Frankenfood“ reden die einen, „bessere, gesündere und billigere Lebensmittel“ versprechen die anderen: Nahrung, die zumindest teilweise mit Hilfe gentechnischer Methoden produziert wird, erregt in jedem Fall das Gemüt des deutschen Verbrauchers. Der will, wie Umfragen belegen, lieber naturbelassene Kost. Trotzdem werden die Verpackungen vorerst keinen Hinweis auf die Art der Herstellung tragen, obwohl dank EG-weiter „Harmonisierung“ immer mehr „neuartige Nahrung“ in einheimischen Supermärkten Einzug hält.

Schon heute findet die Gen-Nahrung ihren Weg in deutsche Mägen, still und heimlich, zu Hause und im Urlaub. Besonders Amerika-Reisende haben mit ziemlicher Sicherheit schon einen Vorgeschmack auf künftige Entwicklungen bekommen – freilich, ohne etwas davon zu bemerken. So gilt es als sicher, daß die Gentechniker bei der Herstellung des Süßstoffes Aspartam („Nutrasweet“) ihre Hände im Spiel haben.

Zudem wird fast die Hälfte aller Hartkäsesorten im Land der unbegrenzten Möglichkeiten mit Chymosin aus dem Genlabor hergestellt. Das Eiweiß, welches die Reifung des Käses auch in Dänemark, Großbritannien, Portugal und der Schweiz beschleunigen darf, stammt aus Bakterien, denen Forscher ein Rindergen ins Erbgut eingebaut haben. Traditionell wird Chymosin zur Käseherstellung aus dem Labmagen von Kälbern gewonnen, die Substanz ist jedoch identisch mit dem gentechnisch hergestellten Chymosin aus Bakterien.

Während nun Kälberlabferment zu über 90 Prozent aus Verunreinigungen besteht, die letztlich im Käse enden, sind bakterielle Chymosinpräparate vergleichsweise sauber: Sie entfalten zu fast 90 Prozent das gewünschte Eiweiß, dazu einige harmlose Salze aus dem Reinigungsprozeß und einen sehr kleinen Anteil fremder Eiweiße aus den, das Chymosin produzierenden, Mikroorganismen.

Das strenge deutsche Gentechnikgesetz kommt in diesem· Fall nicht zum Tragen, weil es keine speziellen Regelungen für Lebensmittel enthält: Der Gen-Käse enthält zwar einen Stoff – eben das Chymosin -, der aus dem Genlabor stammt, nicht aber lebensfähige genmanipulierte Mikroorganismen.

Wer allerdings in Deutschland gentechnisch hergestellte Hefen und Bakterien zur Produktion von Bier, Brot und Joghurt nutzen will, braucht eine Erlaubnis zum „„Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Organismen“. Während derartige Genehmigungen in Deutschland äußerst zögerlich erteilt werden, sind britische Bäcker und Braumeister bereits am Werk: Für die Bierherstellung wurden Hefen entwickelt, die Light-Biere direkt produzieren, die Reifezeit des Gerstensaftes verkürzen und das Verstopfen der Filteranlagen durch den Abbau pflanzlicher Riesenmoleküle verhindern.

Hin und wieder scheinen die Manager der Lebensmittelindustrie jedoch die Rechnung ohne den Verbraucher zu machen: So entwickelte die kalifornische Firma Calgene eine Tomate, die unter dem Namen „Flavr savr“ (Geschmacksretter) Furore machte. Die Reifung des Nachtschattengewächses ist um längere Zeit verzögert worden, weil die Calgene-Forscher eines von etwa 100000 Tomatengenen gezielt abgeschaltet haben.

Das unter natürlichen Umständen für den Abbau der Tomaten-Zellwände verantwortliche Enzym wird durch diesen Trick nur noch in winzigen Mengen gebildet, die biologische Uhr der Pflanze nach der Reifung praktisch angehalten. Die „Gentomaten“ werden – im Gegensatz zu ihren Artgenossen aus herkömmlicher Zucht – als rote, reife Früchte gepflückt. Den Händlern werden dadurch längere Lagerzeiten ermöglicht.

Ernst-Ludwig Winnacker vom Genzentrum der Universität München zählt zu den wenigen, die bisher das Versprechen auf einen „Geschmack wie von der Staude“ überprüft haben. Ganz hervorragend habe sie geschmeckt, erinnert sich der Professor. Im Gegensatz zu den 40 deutschen Spitzenköchen, die kürzlich – ohne Geschmacksprobe – einen Appell gegen die EG-weite Zulassung gentechnisch veränderter Lebensmittel veröffentlichten, vermag Winnacker weder eine Gesundheitsgefährdung noch einen Qualitätsverlust auszumachen.

Aber obwohl alle gesetzlichen Auflagen erfüllt und die Unbedenklichkeit des Verzehrs mehrfach amtlich attestiert wurde, droht die Markteinführung des feuerroten Geschmacksretters. zu scheitern: Die amerikanischen Verbraucher zeigten kein Interesse an den Früchten, und auch ein großer Lebensmittelhersteller wird seine Suppen weiterhin mit herkömmlichen Tomaten zubereiten, obwohl die Firma die Forschungsarbeiten ursprünglich mitfinanziert hatte.

Viel Zeit verbringt Winnacker damit, die Ängste der Deutschen vor der Gentechnik zu entkräften. Eine schleichende Vergiftung durch Gen-Nahrung, wie einige Kritiker sie bereits an die Wand malen, hält er für „Blödsinn“. „In den Mahlzeiten, die wir täglich zu uns nehmen, sind durchschnittlich sieben Gramm Erbsubstanz enthalten“, rechnet Winnacker vor – fremde Gene in Hülle und Fülle also. Im Mund oder spätestens im Magen haben die Gene von Rind und Radieschen, Schwein und Scholle, Krabbe und Kartoffel reichlich Zeit, sich planlos zu durchmischen, ohne daß dadurch eine besondere Gefahr hervorgerufen werde.

Etwas vorsichtiger fällt die Analyse von Klaus-Dieter Jany aus, der sich an der Karlsruher Bundesforschungsanstalt für Ernährung hauptberuflich dem Thema verschrieben hat. Der Professor hält den Einsatz der Gentechnik im Lebensmittelbereich für nicht mehr und nicht weniger riskant als die Anwendung herkömmlicher Verfahren.

Voraussetzung sei allerdings, daß die am Gentransfer beteiligten Organismen und Erbmoleküle ebenso genau bekannt seien wie die Ernährungsgewohnheiten der Verbraucher. Bei verantwortungsvollem Einsatz der Gentechnik sieht Jany die Chance, „erstmals gesundheitliche Risiken von Lebensmitteln zu vermindern und deren Nährwert zu erhöhen.“

Ganz anderer Meinung ist da Beatrix Tappeser vom Öko-Institut Freiburg. „Die Gentechnik sollte im Bereich der Lebensmittel nicht eingesetzt werden“, forderte die Biologin kürzlich in einer Expertenanhörung des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages. Als Grund für ihre Bedenken zitierte die Kritikerin die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA, die unter anderem allergische Reaktionen auf die neuen Lebensmittel für möglich hält.

Auch sei ungeklärt, inwieweit gentechnisch veränderte Organismen ihre neuen Eigenschaften auf die Darmbakterien des Menschen übertragen können und welche langfristigen Folgen sich daraus ergeben, sagte Frau Tappeser. „Wenn Politik und Wissenschaft sich nicht einigen können, muß zumindest eine Kennzeichnungspflicht her, damit der Verbraucher beim. Einkauf selbst entscheiden kann.“

Für eine Kennzeichnungspflicht plädierte nicht nur die Mehrzahl der bei der Anhörung anwesenden Experten. Auch die Bundesregierung vertritt diesen Standpunkt gegenüber der EG. Bis zum Abschluß des Gesetzgebungsverfahrens allerdings wird gegessen, was – ungekennzeichnet – auf den Tisch kommt.

(erschienen in der Stuttgarter Zeitung vom 1. Oktober 1993)