Schallwellen können nicht nur durch die Luft übertragen werden, auch unter Wasser funktioniert dieses Prinzip, wie Flipper der Delphin zahllosen Fernsehzuschauern beweisen konnte. Nun soll diese Tatsache außer verliebten Walen auch besorgten Klimaforschern zugutekommen: Ein neues Verfahren zur Temperaturmessung in den Weltmeeren erproben derzeit Wissenschaftler des Scripps Institutes für Ozeanographie im kalifornischen La Jolla. Die Forscher wollen dabei den Umstand nutzen, daß die Übertragungsgeschwindigkeit von Schallwellen im Wasser vorwiegend von dessen Temperatur abhängt.

Nun soll ein „akustischer Unterwasserthermometer“ dazu beitragen, die Erwärmung der Ozeane durch den Treibhauseffekt exakt zu messen. Beim Treibhauseffekt führt ein Überschuß an „Abgasen“ der menschlichen Zivilisation – vorwiegend Kohlendioxid und Methan – dazu, daß die Erde mehr Energie in Form von Sonnenlicht behält als in Form von Wärmestrahlung wieder abgegeben wird. Die Folge ist eine schleichende Erwärmung der Atmosphäre (etwa 0,5 Grad in den letzten hundert Jahren), die für eine zunehmende Anzahl von Umweltkatastrophen und das Ansteigen des Meeresspiegels verantwortlich gemacht wird.

Da die Weltmeere, welche über zwei Drittel der Erdoberfläche bedecken, als gigantische Speicher für Wärme und Kohlendioxid dienen, sind Klimaforscher und Ozeanologen gleichermaßen an exakten Daten interessiert. Auch Computersimulationen, mit denen die weitere Entwicklung des Weltklimas vorhergesagt werden soll, sind abhängig von einer möglichst großen Zahl an exakten Messdaten.

Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist das neue Verfahren, das bereits vor zehn Jahren von Professor Walter Munk in La Jolla und dessen Kollegen Carl Wunsch am Massachusetts Institute of Technology (MIT) vorgeschlagen wurde. Der Vorteil der akustischen Temperaturmessung besteht darin, daß mit verhältnismäßig geringem Aufwand die Durchschnittstemperatur für große Wassermassen bestimmt werden kann. Normalerweise bewegen sich Schallwellen in Salzwasser mit einer Geschwindigkeit von 1500 Metern in der Sekunde. Eine Temperaturerhöhung um 0,005 Grad erhöht diese Geschwindigkeit um 20 Zentimeter pro Sekunde. Dieser Unterschied – so die Hoffnung der Wissenschaftler – müßte sich mit modernem Gerät relativ leicht bestimmt lassen. Die Dimensionen der Ozeane erlauben es nämlich, Messungen über Strecken von bis zu 20000 Kilometern durchzuführen, so daß im genannten Beispiel die Reisezeit der Schallwellen um mehrere zehntel Sekunden verkürzt wird.

Weil bei dieser Meßart ein Mittelwert gebildet wird, können viele Schwierigkeiten vermieden werden, die mit tausenden von Einzelmessungen auftreten. Bereits 1960 wurde ein akustisches Signal über eine Entfernung von mehreren tausend Kilometern aufgefangen. Noch auf den Bermudas konnte man damals die Schallwellen nachweisen, die durch die Explosion einer Sprengladung im australischen Perth ausgelöst wurden. Allerdings sind Ozeanologen und Tierschützer sich heutzutage darin einig, daß derartig explosive Techniken für Langzeitmessungen völlig ungeeignet sind.

Eine umweltverträgliche Neuauflage des Versuchs wurde daher kürzlich von Heard Island aus unternommen. Die Insel – gelegen im südlichen indischen Ozean – wurde ausgewählt, weil es von dieser Position aus möglich schien, Signale gleichzeitig durch den Atlantik, den Pazifik und den indischen Ozean zu fast allen Kontinenten zu schicken. Am 26. Januar bezogen Wissenschaftler aus neun Nationen Stellung in 19 Horchposten, die über den halben Erdball verteilt waren.

Sechs Tage lang gingen die Signale, die von einem Lautsprecher unter einem Forschungsschiff vor Heard Island abgestrahlt wurden, um die ganze Welt. Auf sämtlichen Horchposten war der Empfang gut bis hervorragend; der Testlauf damit ein voller Erfolg. Munk und seine Mitarbeiter wollen jetzt herausfinden, ob die Genauigkeit der Messungen ausreicht, um die vermutete Erwärmung der Meere von jährlich 0,005 Grad nachzuweisen. Außerdem soll sichergestellt werden, daß die Geräusche die Meeresbewohner nicht belasten.

Sollten diese letzten Analysen zufriedenstellend verlaufen, ist ein Langzeitexperiment geplant, dessen Dauer vermutlich zehn Jahre betragen wird. Den Meeresforschern und Klimatologen stünde dann erstmals wirklich aussagekräftiges Datenmaterial zur Verfügung, um die Rolle der Ozeane beim Treibhauseffekt zuverlässig zu beurteilen.

(ein Bericht aus Turin von der Konferenz „Ozeane, Klima und Menschen“ der San Paolo-Stiftung, geschrieben im April 1991 für „DIE WELT“)

Was wurde daraus? Am Schluß überwogen die bedenken von Tierschützern, dass die Geräusche den Meeresbewohnern – insbesondere den Walen – schaden könnte. Das Experiment wurde zwar nicht völlig abgeblasen, aber auf den Nordatlantik begrenzt.