Der Frachter „Oostzee„, auf dem es nach einem Seeunfall zur Freisetzung der krebserzeugenden Chemikalie Epichlorhydrin kam, wird nach erfolgter Entsorgung heute von Brunsbüttel aus seine Rückreise nach Rotterdam antreten. Über mögliche Konsequenzen der jüngsten Serie von Giftfrachtunfällen berichteten Expertengestern vor der Wissenschaftspressekonferenz in Bonn. Wie Ministerialdirektor Christoph Hinz vom Bundesministerium für Verkehr mitteilte, werde sein Haus eine Überprüfung einleiten, um festzustellen, ob internationale Gefahrgutvorschriften eingehalten worden seien, und diese gegebenenfalls verschärft werden müssten.

Bei Beachtung der Vorschriften zum Transport von Epichlorhydrin wäre der Unfall nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen gewesen. Die Weltschifffahrtsorganisation, so Hinz, befasse sich zurzeit mit einem Übereinkommen für den Transport von Chemikalien als Massengut auf dem Seeweg, wie es für Öl bereits existiert.

Als Ursache des Unglücks, bei dem keine Menschen zu Schaden kamen, nannte Günter Hollmann, Mitglied des Krisenstabes „Oostzee“, die unsachgemäße Lagerung der Giftfässer, die entgegen den Vorschriften direkt auf dem Schiffsboden aufgestellt worden waren. Auch seien die Fässer nicht richtig gestapelt gewesen. Leergefäße sind bei schwerem Seegangzusammengedrückt worden und hatten dadurch das Verrutschen der Ladung ermöglicht.

Michael Hegenauer vom Verband der Chemischen Industrie hält eine Erweiterung der Gesetze zum Gefahrguttransport auf See nicht für nötig. Christoph Thies, der für Greenpeace als zeitweiliger Beobachter im Krisenstab war, betonte hingegen, das Beispiel Oostzee habe gezeigt, dass derartige Ereignisse prinzipiell nicht beherrschbar seien. Er plädierte dafür, durch eine Erhöhung der Transportkosten die Gefahrgüter auf kürzere und ungefährlichere Wege zu zwingen. Nur so könne erreicht werden, dass die Käufer solcher Güter sich nach dem nächstgelegenen Hersteller richteten und nicht nach dem billigsten.

(erschienen in der WELT am 9. August 1989)

59-info@2xWas ist daraus geworden? Unter den vielen Unfällen auf See sorgte dieser für besondere Aufregung, obwohl zumindest unmittelbar keine Menschen zu Schade kamen. Unter anderem berichteten damals auch der Spiegel und die Zeit. Zehn Jahre später wurden mehrere Krebserkrankungen und Todesfälle mit der Katastrophe in Verbindung gebracht, heißt es in einem Artikel der WELT. Laut einem Rückblick von Eige Wiese, der 2014 im Hamburger Abendblatt erschienen ist, hat die schleswig-holsteinische Landesregierung mittlerweile in Zusammenhang mit der „Oostzee“ allein 17 anerkannte Dienstunfälle bei Polizisten eingeräumt. Die Witwen zweier Wasserschutzbeamten, die an seltenen Krebserkrankungen verstorben waren, hätten jahrelang auf Entschädigung geklagt. Um auf ähnliche Katastrophen künftig besser vorbereitet zu sein, hatte das Verkehrsministerium seinerzeit den Auftrag zur Konstruktion spezieller Bergungsschiffe erteilt, auf denen vor allem die Rettungsmannschaften bei ihrer Arbeit besser geschützt sind. Vier solcher Schiffe sind mittlerweile im Dienst. Außerdem, berichtet Wiese, hätten 13 Feuerwehren in norddeutschen Küstenländern spezielle Teams für die Bekämpfung solcher Unfälle gebildet, die alle die gleiche Ausbildung erhalten haben und die gleichen Geräte benutzen.