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Keine Entwarnung nach Corona

Es sind Zahlen, die mittlerweile fast jeder kennt: Mehr als 3 Millionen Menschen haben sich in Deutschland mit dem neuen Corona-Virus infiziert, mehr als 80.000 sind damit gestorben. Vergleichsweise wenig weiß man aber bisher über jene, die an COVID-19 (so der Fachbegriff der Erkrankung) litten und nicht in die Klinik mussten. War´s das oder kommt da noch was?

Erste Antworten liefert eine Studie aus den USA, die den Gesundheitszustand von rund 5 Millionen ehemaligen Armeeangehörigen analysiert hat und aus Steuermitteln bezahlt wurde. Die weitaus meisten Untersuchten hatten kein COVID-19 und dienten als Vergleichsgruppe. 73.435 Personen jedoch waren an COVID-19 erkrankt und hatten die ersten 30 Tage überstanden, ohne in die Klinik zu müssen.

Die Forscher um Ziyad Al-Ali nutzten für ihre Analyse die Gesundheitsdatenbanken des US-Ministeriums für Armeeveteranen und prüften für 379 Diagnosen, 380 Medikamentenklassen und 62 Labortests die Häufigkeit in den beiden Gruppen über einen Zeitraum von 6 Monaten.

Ein Ergebnis dieser ersten umfassenden Erhebung zu den „post-akuten“ Folgen einer COVID-19-Erkrankung war, dass die Überlebenden ein etwa 60 % höheres Risiko hatten zu versterben als Menschen, die nicht an COVID-19 erkrankt waren. Auch die absoluten Zahlen haben die Wissenschaftler errechnet und in Form der Übersterblichkeit präsentiert. Im ersten Halbjahr starben demnach unter je 1000 ehemaligen Corona-Patienten 8,39 Menschen mehr, als zu erwarten waren.

Die Details ihrer Untersuchung präsentieren Al-Ali und seine Kollegen in der Fachzeitschrift Nature mit einer Fülle von Grafiken, die auffällige Beobachtungen der Ärzte zusammenfassen. Für fast jedes Organ fanden sie dabei gleich mehrere Krankheiten, die unter früheren COVID-Patienten gehäuft auftraten, und deren Auftreten nicht durch zufällige Schwankungen zu erklären war.

Wie erwartet waren Krankheiten der Atemwege am häufigsten – sie wurden bei jedem 30sten Betroffenen neu diagnostiziert. Damit einher ging auch ein deutlicher Mehrverbrauch von Arzneien zur Erweiterung der Atemwege, gegen Husten oder Asthma.

Unter den psychischen Leiden wurden Schlafstörungen bei jeweils etwa 15 von 1000 ehemaligen COVID-Patienten festgestellt, sowie Trauma und Stresserkrankungen bei knapp 1 %. Auch hier spiegelten sich die Probleme in der häufigeren Einnahme von Medikamenten – vor allem Schmerz- und Betäubungsmittel, aber auch Antidepressiva.

Weitere alarmierende Befunde waren häufig erhöhte Blutfettwerten und Bluthochdruck, die beide das Risiko einer Herzerkrankung erhöhen. Unter der Kategorie „Allgemeines Wohlbefinden“ stehen Müdigkeit, Muskelschmerzen und Blutarmut ganz oben auf der Liste – allesamt Beschwerden, die man bereits aus Untersuchungen von schweren Fällen kennt, bei denen die Patienten ins Krankenhaus mussten.

In einer separaten Untersuchung haben die Forscher Patienten verglichen, die wegen Corona ins Krankenhaus mussten und solche, die dort wegen einer saisonalen Grippe (Influenza) behandelt wurden. Dabei seien die Belastungen nach Corona in den meisten Bereichen deutlich größer gewesen, heißt es.

Auch jenseits der ersten 30 Tage haben demnach Menschen, die von COVID-19 „genesen“ sind, ein erhöhtes Risiko, zu versterben oder an einer Vielzahl von Leiden unterschiedlicher Organe zu erkranken. Auch wenn die Daten hierzu von US-Veteranen stammen – also vorwiegend von älteren Männern – hilft diese Arbeit doch, das mittelfristige Risiko nach einer Corona-Infektion auch bei weniger schwer Erkrankten abzuschätzen.

Quelle:

Al-Aly, Z. et al. High-dimensional characterization of post-acute sequalae of COVID-19. Nature 2021 (online) doi: 10.1038/s41586-021-03553-9. (Nicht editiertes Manuskript).

Diabetische Neuropathie: Schwachstrom lindert Nervenschmerzen

Schmerzen und Missempfindungen, die häufig als Spätfolge der Zuckerkrankheit auftreten, können durch ein Implantat gelindert werden, das am Rückenmark eingepflanzt wird und dort mit schwachen Elektroimpulsen die Übertragung von Schmerzsignalen ans Gehirn unterbricht.

Dies ist das Ergebnis der bislang größten Studie ihrer Art mit 216 Patienten in mehreren US-Kliniken. Sie wurde vom Hersteller des Implantats, der Nevro Coporation bezahlt und eng begleitet, wie den Angaben zu Interessenkonflikten in der Publikation JAMA Neurology zu entnehmen ist.

Die durchschnittlich 61 Jahre alten Studienteilnehmer hatten im Mittel fast 11 Jahre an der Zuckerkrankheit (Diabetes) gelitten und 5,6 Jahre an einer peripheren Neuropathie. Diese Komplikation des Leidens beginnt meist mit Gefühlsstörungen in den Zehen, die dann über die Beine, Finger und Arme mit Kribbeln, Brennen und Schmerzen fortschreiten. Obwohl eine ganze Reihe von Schmerzmitteln gegen die diabetische Neuropathie eingesetzt werden, ist man damit längst nicht bei allen Patienten erfolgreich.

So auch bei den Studienteilnehmern, die nur unter der Voraussetzung teilnehmen durften, dass seit mindestens einem Jahr trotz der Gabe von Medikamenten unter Schmerzen litten, die mindestens den Wert 5 auf einer 10-teiligen Skala erreichten (Visuelle Analog-Skala, VAS). Die Probanden erhielten in der Studie weiterhin die übliche medizinische Versorgung, jedoch wurde nach dem Zufallsprinzip jedem zweiten zusätzlich das Stimulationsgerät HF10 eingepflanzt. Ähnliche Versuche wurden erstmals vor etwa 25 Jahren unternommen, und waren auch teilweise erfolgreich, jedoch erhoffte man sich von einer Stimulierung mit höheren Frequenzen (10 Kilohertz gegenüber damals 40 – 60 Hertz) bessere Ergebnisse.

Dies bestätigte sich auch in der halbjährigen Beobachtungszeit der aktuellen Studie: Mit dem Implantat erreichte 75 von 95 Patienten eine Schmerzlinderung von mindestens 50 Prozent, unter der ausschließlich regulären Versorgung waren es aber nur 5 von 94. Und während der durchschnittliche VAS-Wert sich mit den Implantaten von 7,6 auf 1,7 verringerte, gab es in der Kontrollgruppe mit 7,0 gegenüber 6,9 keine nennenswerte Veränderung.

Ganz ohne Nebenwirkungen wurde dieser Erfolg allerdings nicht erkauft: Bei 2 Patienten musste das Implantat wegen Infektionen entfernt werden, und bei 3 gab es Komplikation an der Wundstelle.

Quelle und weitere Infos:

Corona: Löchriger Schutz nach Infektion

Menschen, die sich auf natürliche Weise mit dem Coronavirus (SARS-CoV-2) angesteckt haben, sind danach mindestens ein halbes Jahr lang deutlich weniger anfällig für eine zweite Infektion. Dieser „natürliche Schutz“ ist aber weniger gut als mit den meisten Impfungen, und insbesondere ältere Menschen sind auch nach einer ersten Corona-Infektion weiterhin stark gefährdet.

Dieser Schluss kann aus einer dänischen Untersuchung gezogen werden, die jetzt in der Fachzeitschrift „Lancet“ erschienen ist. Die Forscher nutzten dafür ein „Experiment“, das in Dänemark im Jahr 2020 durchgeführt wurde. Dort hat man nämlich der gesamten Bevölkerung kostenlos die hochempfindlichen PCR-Tests zum Nachweis des Virus angeboten. 4 Millionen Dänen machten im Laufe des Jahres davon Gebrauch – das sind 69 Prozent der Bevölkerung. Da viele mehrfach getestet wurden, verfügt man in Dänemark über eine gewaltige Datenbank mit 10,9 Millionen Testergebnissen. Die wurden für den Zweck der Untersuchung zwar anonymisiert, konnten aber trotzdem einzelnen Personen zugeordnet werden.

So konnten die Forscher herausfinden, wie viele Menschen bei einem ersten Test zwischen März bis Mai „positiv“ (also aktuell infiziert) waren, und wie viele nicht. Zweitens konnten sie anhand der Ergebnisse in einem zweiten Testzeitraum (September bis Dezember) errechnen, welcher Anteil der bereits Infizierten sich erneut angesteckt hatte. Und drittens konnten sie die Neuinfektionen zwischen den Personen vergleichen, die sich bereits einmal infiziert hatten und jenen, bei denen das nicht der Fall war.

Heraus kam, dass nur bei einem sehr kleinen Teil der bereits positiv Getesteten eine zweite Infektion nachweisbar war, nämlich 72 von 11068 Personen, was einem Anteil von 0,65 % entspricht. Unter den 525339 Personen mit einem ersten negativen Test wurde dagegen eine Infektion bei 16819 nachgewiesen. Das sind 3,27 % und damit eine etwa fünf Mal so hohe Ansteckungsrate wie bei jenen, die bereits eine erste Infektion hinter sich hatten.

Daraus lässt sich schließen, dass etwa ein halbes Jahr nach einer Infektion durchschnittlich 4 von 5 Betroffenen vor einer zweiten Infektion geschützt ist. Allerdings waren es bei den Älteren (Menschen ab 65 Jahren) nur noch knapp 50 %. Dies ist deutlich weniger als die durchschnittliche Wirksamkeit der in Deutschland verfügbaren Impfstoffe (etwa 95 % für BioNTec und Moderna sowie 80 % für AstraZeneca).

Wie lange der Schutz anhält ist sowohl für natürliche Infektionen wie auch für die Impfstoffe noch nicht genau bekannt. In der aktuellen Studie waren es mindestens 7 Monate ohne ein Nachlassen der Schutzwirkung und manche Experten schätzen, dass der Impfschutz 1 bis 2 Jahre anhalten sollte – aber das ist zum jetzigen Zeitpunkt nur Spekulation.

Quelle:

Hansen CH et al.: Assessment of protection against reinfection with SARS-CoV-2 among 4 million PCR-tested individuals in Denmark in 2020: a population-level observational study. Lancet. 2021 Mar 27;397(10280):1204-1212. doi: 10.1016/S0140-6736(21)00575-4.

Krebsrisiko durch Sonnenschäden abgeschätzt

Wer oft, lange, und ungeschützt in der Sonne weilt, erhöht damit sein Risiko, eine Aktinische Keratose zu bekommen. Sie gilt als Vorstufe für das Plattenepithelkarzinom, den zweithäufigsten bösartigen Hauttumor. Wie hoch das Risiko dafür genau ist, haben Wissenschaftler nun anhand von Daten der Krankenversicherung Kaiser Permanente aus Nordkalifornien geschätzt, die diese Studie auch finanziert hat.

Verglichen wurden jeweils mehr als 200000 Menschen im durchschnittlichen Alter von 64 Jahren, die am Anfang des Untersuchungszeitraums (2009) eine Aktinische Keratose hatten, oder nicht. In der ersten Gruppe erhöhte sich das Risiko für ein Plattenepithelkarzinom alljährlich um knapp 2 Prozent – das war mehr als doppelt so stark wie in der Kontrollgruppe. Am Ende des Untersuchungszeitraums (2019) hatten rechnerisch 17,1 Prozent der Patienten mit einer Aktinischen Keratose ein Plattenzellkarzinom entwickelt; unter denjenigen ohne Aktinische Keratose waren es 5,7 Prozent. Laut Angaben der Forscher ist dies die erste Untersuchung, bei der die Entwicklung des Risikos über solch einen langen Zeitraum verfolgt wurde.

Die gute Nachricht lautet, dass das Erkrankungsrisiko zwischen den Jahren 2009 und 2019 um etwa ein Drittel gesunken ist hat. Eine mögliche Ursache dafür ist, dass Aufklärungskampagnen die Bevölkerung insgesamt vorsichtiger gemacht haben könnten, sodass man weniger oft ungeschützt in die Sonne geht. Eine weitere Erklärung lautet, dass die Aktinische Keratose heutzutage eher ernst genommen und frühzeitig behandelt wird – etwa mit einer Kältetherapie („Vereisung“) oder mit wochenlang aufgetragenen Salben, die die Wirkstoffe Imiquimod oder Fluorouracil enthalten.

Mit den neuen Zahlen können Ärzte das Risiko ihrer Patienten besser abschätzen. Streng genommen gilt das aber nur für die Bevölkerung Nordkaliforniens, wo die Sonne ja bekanntlich häufiger scheint als in Deutschland.

Quelle

Madani S et al.: Ten-Year Follow-up of Persons With Sun-Damaged Skin Associated With Subsequent Development of Cutaneous Squamous Cell Carcinoma. JAMA Dermatol. 2021 Mar 24. doi: 10.1001/jamadermatol.2021.0372.

Weitere Informationen

Für Ärzte gedacht ist eine ausführliche Leitlinie der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft und der Deutschen Krebsgesellschaft, die den neuesten Stand der Wissenschaft zur Erkennung und Behandlung beider Hautkrankheiten zusammenfasst.

Vitiligo

Eine fortschreitende, nicht ansteckende Hautkrankheit, die bislang nicht geheilt werden kann. Typisch sind scharf begrenzte, hellrosa bis kalkweiße Flecken. Sie treten oft symmetrisch auf, bilden einen auffälligen Kontrast zur natürlichen Hautfarbe, und finden sich vorwiegend an den Körperöffnungen, sowie am Rumpf und den Extremitäten. Dies ist zwar nicht gefährlich, kann jedoch insbesondere für dunkelhäutige Menschen ein großes kosmetisches Problem darstellen. Angeblich soll auch der verstorbenen Pop-Star Michael Jackson unter Vitiligo gelitten haben.

Betroffen sind – je nach Quelle – zwischen 0,5 und 2,0 % der Bevölkerung. Meist beginnt die Krankheit im Alter zwischen 10 und 30 Jahren.

Ursache ist eine Fehlfunktion des Immunsystems. Sie führt zum Verlust jener Zellen (Melanozyten), die in der Haut den gelblichen bis schwarzen Farbstoff Melanin bilden.

Wenn es nicht ausreicht, kleinere Flecken mit Schminke abzudecken, kann die Behandlung mit Entzündungshemmern (Glukokortikoide und Calcineurininhibitoren) erfolgen, oder mit einer Phototherapie, die aber nicht bei allen Patienten erfolgreich sind.

Eine Alternative ist bei kleineren betroffenen Flächen die Übertragung von Gewebe von nicht betroffenen Körperteilen des Patienten. Letzter Ausweg bei größeren Flächen ist die vollständige Entfärbung (Depigmentierung) der Haut mit einem Bleichmittel (Monobenzon), das aber über mehrere Monate hinweg mehrmals täglich aufgetragen werden muss.

In den letzten Jahren wurden mindestens drei neue Wirkstoffe erprobt: Afamelanotid, ein künstliches Hormon, beschleunigte in einer Studie mit 55 Patienten den Effekt einer Lichttherapie und vergrößerte die gebräunte Fläche um ca. 50 Prozent. Obwohl die Herstellerfirma Clinuvel bereits 2014 eine Zulassung für Vitiligo beantragen wollte, liegt dafür noch keine behördliche Genehmigung vor (Stand 21.7.20).

Ein Jahr nach der Studie mit Afamelanotid berichteten Hautärzte der Yale School of Medicine von einer einzigen Patientin mit Vitiligo, der sie das Rheuma-Medikament Tofacitinib gegeben hatten. Binnen fünf Monaten verschwanden daraufhin die meisten der weißen Flecken im Gesicht und auf den Händen dieser Frau. Diese Spur wurde anscheinend nicht weiter verfolgt. Eine Zulassung zu Behandlung der Vitiligo hat Tofacitinib bis heute nicht (Stand 21.7.20).

Die bislang größte Studie zur Vitiligo wurde im Juli 2020 berichtet. Gesponsert von der Herstellerfirma Incyte erhielten hier 157 Patienten eine Hautcreme entweder mit oder ohne Ruxolitinib, ein dem Tofacitinib verwandter Wirkstoff, der das Immunsystem dämpft. Die Erfolgsrate war relativ hoch; etwa die Hälfte der Betroffenen erreichten unter Ruxolitinib eine Dunkelfärbung der betroffenen Hautareale von mehr als 50 %, und im Gesicht waren es bei ca. einem Drittel der Patienten sogar mehr als 90 Prozent. In einem Kommentar zu dieser Studie schreibt Thierry Passeron von der Universität Nizza, dass Ruxolitinib womöglich in Kombination mit Sonnenlicht oder künstlicher UV-Bestrahlung noch besser wirken könne. Obwohl Ruxolitinib gegen andere Erkrankungen seit 2012 zugelassen ist, steht es für die Behandlung der Vitiligo außerhalb klinischer Studien noch nicht zur Verfügung (Stand 21.7.20).

Quellen:

So erkennt man einen Experten

Ob Corona oder Klima, Gentechnik oder Atomkraftwerke – ständig treffe ich auf Facebook, Twitter und in den Medien auf Leute, die als Experten auftreten, obwohl sie offensichtlich keine Ahnung haben. Das frustriert mich nicht nur als Wissenschaftsjournalist, ich sehe darin auch eine echte Gefahr für unsere Gesellschaft. Deshalb habe ich heute mal zur Abwechslung einen kleinen Ratgeber geschrieben, wie man echte Experten von den Großmäulern unterscheiden kann. Bitte nicht missverstehen: Jeder darf und soll seine Meinung frei äußern dürfen; von mir aus auch Verschwörungstheorien und harte verbale Attacken. Nur sollte man dann eben auch bereit sein, sich mit den Argumenten der Gegenseite auseinanderzusetzen. Und damit klar kommen, dass man als Depp dasteht, wenn man offensichtlich Blödsinn erzählt hat.

Also woran erkennt man nun, wer Ahnung hat? Zunächst sollte man schauen, welche Ausbildung die fragliche Person genossen hat, wie viel Erfahrung sie mit dem Thema hat, und ob sie auf dem betreffenden Fachgebiet einen Abschluss hat. Niemand käme auf die Idee, sich von seinem Frisör den Blinddarm ´rausnehmen zu lassen, und die Bremsen meines Autos würde ich lieber in einer Kfz-Werkstatt reparieren lassen, als beim Heilpraktiker.

Wissenschaft wird an Hochschulen gelehrt, und da gibt es natürlich mehr oder weniger gute. Natürlich kann man behaupten, hier oder dort dies oder jenes studiert zu haben. Das kann aber auch jeder Studienabbrecher, und bewiesen ist damit doch eher, dass man es nicht geschafft hat. Erst wer die mehrjährige Ausbildung samt Prüfungen übersteht bekommt einen Titel, und der ist dann geschützt (ausführlich erklärt in der Wikipedia).

Ich möchte mich hier auf die Naturwissenschaften und die Medizin konzentrieren. Da steht auf der untersten Stufe in Deutschland der Bachelor der Wissenschaft (B.Sc., Bachelor of Science) oder des Ingenieurswesens (B. Eng., Bachelor of Engineering). Etwa drei, manchmal auch vier Jahre muss man dafür investieren. Die nächste Stufe (früher der einzige unterhalb des Dr.) ist das Diplom. Laut Wikipedia an einer Fachhochschule oft in 3 Jahren zu erwerben, an einer „richtigen“ Universität netto in 4 – 5 Jahren. Ich habe für meinen Dipl.-Biol. 7 Jahre gebraucht – denkt, was ihr wollt. Das Diplom ist heute Voraussetzung für einen Master wie z.B. den „Master of Science“ (M. Sc.). Der frisst auch noch ´mal 1 oder 2 Jahre Lebenszeit. Von da ab sind es dann nur noch 3, 4, oder 5 Jahre für einen Doktor-Titel wie z.B. den für Naturwissenschaften (Dr. rer. nat) oder für Medizin (Dr. med.). Der Professor schließlich ist kein akademischer Grad, sondern der Ausweis dafür, dass man an einer Hochschule/Uni lehren darf.

Das ist natürlich nur ein erster Anhaltspunkt. Natürlich gibt es gute und schlechte, fleißige und faule Bachelors, Doktoren und Professoren und ebenso schwankend ist auch die Qualität der Master-, Diplom- und Doktorarbeiten. Wie gut, dass es ein wunderbares und noch dazu kostenloses Instrument gibt, um die wissenschaftliche Leistung einer Person abzuschätzen. Es nennt sich PubMed, und dahinter verbirgt sich die weltweit größte Sammlung von Literaturzitaten in der Biomedizin. Etwa 30 Millionen Einträge hat der aus amerikanischen Steuergeldern finanzierte, englischsprachige Service. Jeder Eintrag listet den oder die Autoren, den Titel, und die Fachzeitschrift, wo die Arbeit erschienen ist, meist auch eine kurze Zusammenfassung, sowie einen Link zur Originalveröffentlichung (die dann allerdings oftmals Geld kostet, wenn man sie in voller Länge lesen möchte). Gibt man in das Suchfeld zum Beispiel „coronavirus“ ein, so sieht man Folgendes:

Die Suche nach dem Begriff „coronavirus“ liefert mehr als 20000 Einträge

Ganz oben auf der Ergebnisseite steht die Zahl der Treffer (20083). Die Grafik auf der linken Seite zeigt, wann diese Publikationen erschienen sind, und wie viele pro Jahr. Mit den Kästchen darunter kann man die Suche weiter einengen – zum Beispiel auf vollständige Texte, die kostenlos verfügbar sind („Free full text“ anklicken).

Aber woher weiß ich jetzt, ob beispielsweise Professor Christian Drosten wirklich Ahnung von Coronaviren hat, oder nur ein Poser ist? Dazu gibt man den Nachnamen ein, gefolgt von dem ersten Buchstaben des Vornamens. Also „Drosten C“. Auf Anhieb liefert mir diese einfache Suche 381 Ergebnisse! PubMed selbst hat die Treffer nach Wichtigkeit sortiert und hat oben eine Veröffentlichung platziert, die noch keine 6 Wochen alt ist. Wer sich auskennt sieht auch, dass sie in einem der renommiertesten Medizinjournale erschienen ist, dem New England Journal of Medicine, und noch dazu ist sie kostenlos.

Eindrucksvoll: Die Publikationsliste von Prof. Christian Drosten auf PubMed.

Natürlich sind nicht alle Facharbeiten, die Drosten bisher geschrieben hat, über das Coronavirus. Um nur diese zu sehen, verfeinern wir unsere Suche. Das geht ganz einfach mit der Formel „drosten c AND coronavirus“. Es bleiben noch immer 146 Veröffentlichungen übrig, was uns beweist, dass wir hier einen echten Experten vor uns haben.

Weil wir gerade dabei sind, checken wir nach dem gleichen Prinzip noch einen weiteren bekannten deutschen Mikrobiologen, Professor Alexander S. Kekulé.  Ich sehe 32 Veröffentlichungen, ein paar zum Zika-Virus, einen über Ebola, aber keinen einzigen über Coronaviren. Dann schon lieber Professor Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts und zusammen mit Drosten derzeit wohl der einflussreichste Wissenschaftler, der die Bundesregierung in Sachen Coronavirus berät. Dem wird zwar von Kritikern gerne vorgehalten, dass er ja „nur“ ein Veterinärmediziner sei, aber auch Wieler hat eine beeindruckende Publikationsliste mit 241 Einträgen, wenn auch nur 3 zu Coronaviren.

Weil ich mich so geärgert habe jetzt noch ein Mann, der definitiv kein Experte für Coronaviren ist: Dr. Wolfgang Wodarg. Der durfte sich 10. März 2020 in der ZDF-Sendung Frontal21 über die Quarantänemaßnahmen und Verbotsregelungen verbreiten, bezeichnete dies als „Panikmache“ und erklärte, für Coronaviren bräuchte es keine besonderen Schutzvorkehrungen oder Tests. Ein positiver Corona-Befund habe keine klinische Bedeutung.

Leider kein Experte für Coronaviren: Dr. Wolfgang Wodarg, der im ZDF von Panikmache sprach.

Wodarg hat genau 2 Publikationen auf PubMed vorzuweisen, eine aus dem Jahr 1989 und eine von 2015. Keiner dieser Beiträge hat auch nur im entferntesten mit Viren zu tun, und ich habe mich einmal mehr gefragt, was das eigentlich für Leute sind, die beim öffentlich-rechlichen Rundfunk derartige Beiträge zu verantworten haben.

Nachwort: Natürlich können auch Experten irren. Um die Corona-Krise zu überwinden braucht es nicht nur Virologen und Epidemiologen, Ärzte und Pfleger, sondern auch Spezialisten auf vielen anderen Gebieten. Die Guten erkennt man oft daran, dass sie sich ihrer Grenzen bewusst sind. An Sätzen wie: „Das weiß ich nicht“, „das ist nicht mein Fachgebiet“, oder „dazu kann ich nichts sagen“. Es sind Sätze, die ich gerne öfter hören würde.

Krebspatienten oft schlecht ernährt

Etwa jeder dritte Krebspatient, der in einer Schwerpunktpraxis versorgt wird, ist unzureichend ernährt. Herausgefunden hat dies ein Team um Professor Hans Hauner, Leiter des Else Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin der Technischen Universität München.

Veröffentlicht wurden die Erkenntnisse jetzt in der Deutschen Medizinischen Wochenzeitschrift. Bisher gab es keine derartigen Untersuchungen zu ambulanten Patienten in Deutschland. Dies, obwohl Schätzungen nach Angaben der Forscher ergeben haben, dass etwa ein Viertel aller Tumorpatienten nicht an ihrer Grunderkrankung versterben, sondern an den Folgen einer damit verbundenen Mangelernährung. Die Therapie ist bei den geschwächten Patienten weniger erfolgreich, es kommt häufiger zu Komplikationen und natürlich verringert sich die Lebensqualität der Betroffenen.

Um herauszufinden, wie groß das Problem ist, haben Hauner und dessen Kollegen 44 Praxen im südbayerischen Raum angeschrieben und um Unterstützung gebeten. Leider haben nur 17 dieser Praxen mitgemacht, was die Genauigkeit der Ergebnisse schmälern dürfte. Vermutlich haben diejenigen, die wenig Interesse an dem Thema haben, auch seltener an der Umfrage teilgenommen. Die Daten spiegeln deshalb womöglich eher die Situation in Praxen, wo man sich des Problems bewusst ist. Heraus kam jedenfalls, dass unter 17 teilnehmenden Schwerpunktpraxen für Onkologie:

Nur eine Praxis beim ersten Kontakt systematisch nach einer Mangelernährung gesucht hat, nur drei Praxen allen Patienten eine vorbeugende Ernährungsberatung angeboten haben, in zehn Praxen eine Beratung nur dann erfolgte „wenn der Ernährungszustand dies erforderte“, und dass nicht einmal jeder dritte Patient nach der Diagnose eine Ernährungsberatung erhalten hatte.

Unter den 765 Patienten, die die Fragebögen ausgefüllt hatten, war die Mangelernährung weit verbreitet. Dies wurde mit zwei verschiedenen Skalen gemessen, der MUST (Malnutrition Universal Screening Tool) und dem NRS-2002 (Nutritional Risk-Screening-2002). Der MUST fand ein mittleres Risiko für eine Mangelernährung bei 15,4 Prozent der Teilnehmer, und ein hohes Risiko bei 19,5 Prozent. Laut NRS-2002 hatten 29,1 Prozent ein erhöhtes Risiko. Im Mittel hatten die Patienten in den drei bis sechs Monaten vor der Befragung 2,7 Kilogramm abgenommen, und etwa jeder siebte hatte sogar mehr als ein Zehntel seines Ausgangsgewichts verloren.

In einer begleitenden Pressemitteilung heißt es: “Der Ernährungsexperte sieht einen dringenden Handlungsbedarf, um vorhandene Versorgungslücken zu schließen. Ein Screening und eine darauf abgestimmte frühzeitige Ernährungsberatung sollten ein fester Bestandteil in der ambulanten Betreuung von Patienten mit einer Tumorerkrankung sein.”

(Was man aber auch erwähnen sollte ist ein potenzieller Interessenkonflikt Hauners, der natürlich die Bedeutung einer Ernährungsberatung betont, dabei neben seiner Position als Institutsleiter zugleich Buchautor und Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von Danone Deutschland, Oviva Gmbh, Boehringer Ingelheim und Novo Nordisk ist. Gespannt warten wir hier deshalb auf weitere Studien die zeigen, wie die geforderten Interventionen sich auf die Lebensqualität und auf die Lebenserwartung der Patienten auswirken.)

Quellen:

Hauner H et al: Häufigkeit eines Risikos für Mangelernährung bei Patienten in onkologischen Schwerpunktpraxen – eine Querschnittserhebung. Dtsch Med Wochenschr. 2020;145(1):e1–e9. doi:10.1055/a-1008-5702.

Pressemitteilung des Thieme-Verlages

Wie kommt der Swing in den Jazz?

Schön, dass man sich bei am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation einer überaus wichtigen Frage angenommen hat: Wieso fahren  bestimmte Musikstücke uns dermaßen in die Glieder, dass wir unversehens zu zappeln beginnen, mit den Fingern schnippen und „mitschwingen“ müssen? Anders gefragt: Was ist das Geheimnis des Swing? Der (Versuch einer) Antwort findet sich in einer schön geschriebenen Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft: Vorab sei verraten: Es ist kompliziert, und hat womöglich mit zeitlichen Mikroabweichungen vom eigentlichen Rhythmus zu tun, den Microtiming Deviations. Was die Wissenschaftler um den emeritierten Professor und Jazz-Saxophon-Spieler Theo Geisel nun im Detail herausgefunden haben, und wo man das im Original nachlesen kann, steht weiter unten.

Dem Swing kann man sich nur schwer entziehen: Trompeter in der Preservation Hall, New Orleans, 1989 (Foto: Michael Simm)

Jazz, aber auch Rock- oder Popmusik kann Zuhörer buchstäblich mitreißen. Unwillkürlich wippt man mit dem Fuß mit oder nickt rhythmisch mit dem Kopf. Zusätzlich zu diesem als Groove bekannten Phänomen kennen Jazzmusiker seit den 1930er-Jahren den Begriff des Swing – nicht nur als Stilrichtung, sondern auch als rhythmisches Phänomen. Bis heute aber tun Musiker sich schwer damit zu charakterisieren, was den Swing ausmacht. So schrieb etwa Bill Treadwell in seiner Einführung „What is Swing?“: „Du kannst es fühlen, aber du kannst es einfach nicht erklären“. Musiker und viele Musikbegeisterte haben intuitiv ein Gespür dafür, was Swing bedeutet. Musikwissenschaftler haben aber zweifelsfrei bisher nur ein eher offensichtliches Merkmal charakterisiert: Aufeinanderfolgende Achtelnoten werden nicht gleich lang gespielt, sondern die erste länger als die zweite (die Swing-Note). Das Swing-Verhältnis (englisch swing ratio), also das Längenverhältnis dieser Noten, nimmt oft einen Wert in der Nähe von 2:1 an, und man fand heraus, dass es bei höherem Tempo tendenziell kleiner und bei niedrigerem Tempo größer wird.

Darüber hinaus diskutieren Musiker und Musikwissenschaftler besonders auch rhythmische Schwankungen als Merkmal des Swing. So spielen Solisten gelegentlich für kurze Zeit merklich nach dem Beat, was im Fachjargon laid-back heißt. Aber ist dies für das Swing-Gefühl nötig, und welche Rolle spielen kleinere Abweichungen im Timing, die selbst erfahrene Zuhörer nicht bewusst wahrnehmen? Einige Musikwissenschaftler vertraten seit längerem die Meinung, dass Jazz nur dank solcher Schwankungen (zum Beispiel zwischen den verschiedenen Instrumenten) swingt. Forscherinnen und Forscher des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation und der Universität Göttingen kamen in ihrer empirischen Studie nun zu einem anderen Ergebnis. Demnach fühlen Jazzmusiker den Swing etwas stärker, wenn das Swing-Verhältnis während einer Darbietung möglichst wenig schwankt.

Motiviert wurden die Forschenden um Theo Geisel, Emeritus-Direktor am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, zu der Studie, weil sie sich nicht damit zufriedengeben wollten, dass das Wesen des Swings rätselhaft bleibt: „Wenn es Jazzmusiker fühlen, aber nicht eindeutig erklären können, sollten wir doch in der Lage sein, die Rolle der Mikroabweichungen operational zu charakterisieren, indem wir Aufnahmen mit originalem und systematisch manipuliertem Timing von ausgewiesenen Jazzmusikern bewerten lassen“, sagt Theo Geisel, der selbst Jazz-Saxophon spielt.

Also nahm das Team zwölf Stücke mit einem professionellen Jazzpianisten zu vorab generierten präzisen Rhythmus-Tracks von Bass und Schlagzeug auf und manipulierte dessen Timing auf drei verschiedene Arten: Sie eliminierten zum Beispiel alle zeitlichen Mikroabweichungen des Pianisten in dem Stück, das heißt sie quantisierten sein Spiel, dann verdoppelten sie die Mikroabweichungen und bei der dritten Manipulation invertierten die Göttinger Forscher diese. Wenn also der Pianist in der originalen Version eine Swing-Note 3 Millisekunden vor der durchschnittlichen Swing Note für dieses Stück spielte, so verschoben die Forscher die Note in der invertierten Version um den gleichen Betrag, also um 3 Millisekunden, hinter die durchschnittliche Swing Note. Anschließend bewerteten 160 Profi- und Amateurmusiker in einer online-Befragung, inwiefern die manipulierten Stücke natürlich oder fehlerhaft klangen und vor allem wie stark die verschiedenen Versionen swingen.

„Wir waren überrascht“, sagt Studienleiter Theo Geisel, „denn die Teilnehmer der Onlinestudie bewerteten im Schnitt die quantisierten Versionen der Stücke, also diejenigen ohne zeitliche Mikroabweichungen, sogar als etwas mehr swingend als die Originale. Mikroabweichungen sind also nicht zwingend für den Swing.“ Stücke mit verdoppelten Mikroabweichungen stuften die Testhörer als am wenigsten swingend ein. „Anders als wir ursprünglich erwarteten, hatte die Inversion der zeitlichen Mikroabweichungen lediglich bei zwei Stücken einen negativen Einfluss auf die Bewertungen“, so York Hagmayer, Psychologe an der Universität Göttingen. Wie viel Swing die Befragten den Stücken zuschrieben, hing dabei auch von ihrem musikalischen Hintergrund ab. Professionelle Jazzmusiker vergaben generell etwas niedrigere Swing Bewertungen – unabhängig vom Stück und von der Version.

Wer jetzt noch nicht durchblickt, dem helfen vielleicht die Musikbeispiele zu denen in der Pressemitteilung verlinkt wurde. Aber Achtung: Das swingt 😉

Am Ende der Studie fragten die Forscherinnen und Forscher die Teilnehmer, was ihrer Meinung nach ein Stück zum Swingen bringt. Die Befragten nannten weitere Faktoren wie das dynamische Zusammenspiel der Musiker, das Setzen von Betonung und Akzenten sowie die Interaktion von Rhythmus und Melodie. „Deutlich wird hierbei, dass der Rhythmus zwar eine große Rolle spielen mag, dass aber noch weitere Faktoren wichtig sind, welche in weiterer Forschung untersucht werden sollten“, sagt Annika Ziereis, neben George Datseris Erstautorin der Arbeit.

Quellen:

Google-Technik soll Brustkrebs erkennen

Die Mammographie ist ein Verfahren, bei dem Röntgenbilder der weiblichen Brust angefertigt werden. Ziel ist es, eine Krebserkrankung möglichst früh zu erkennen, genauer zu erfassen, oder auszuschließen. Die schwierige Aufgabe erfordert ein langes Fachstudium, und selbst Radiologen mit großer Erfahrung liegen mit ihren Beurteilungen nicht selten daneben. Die Folge sind falsche Alarme („falsch Positive“), die zur Verunsicherung der Frauen führen und zu Nachuntersuchungen, die sich erst im Rückblick als unnötig herausstellen. Dazu kommen noch Tumoren, die übersehen werden („falsch Negative“), und die weniger gut behandelt werden können, wenn sie schließlich doch auffällig werden.

Genauere Diagnosen erhofft man sich von der Technik der künstlichen Intelligenz (KI), die von Firmen wie Google und Microsoft erforscht und zunehmend eingesetzt wird. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der selbstlernenden Computerprogrammen, die Anhand von Bildern und anderen Mustern Vorhersagen treffen sollen.

Eine Studie, die jetzt in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht – und von Google finanziert – wurde zeigt, wohin die Reise gehen könnte: Ein Forscherteam trainierte die Software mit Mammographie-Bildern von 26.000 Frauen aus Großbritannien und 3000 aus den USA. Ob die Diagnosen richtig waren, konnte man überprüfen, weil die Frauen etwa 3 Jahre später erneut untersucht wurden.

Beim Vergleich der Vorhersage-Genauigkeit hatte die Software sowohl weniger falsche Alarme verursacht, als auch weniger Tumoren übersehen. Auch als die Forscher das KI-System lediglich mit den britischen Daten trainierten, und anschließend anhand der US-Daten testeten, war „Dr. Google“ überlegen. Gegenüber den US-Ärzten hatte die Software 3,5 Prozentpunkte weniger falsch Positive und 8,1 Prozentpunkte weniger falsch Negative. Dies zeigt, dass die Software länderübergreifend zum Einsatz kommen könnte und nicht nur in jenen Regionen, wo sie ursprünglich getestet wurde. Theoretisch könnten daher weltweit Engpässe in der Versorgung gelindert und vielerorts die Qualität verbessert werden.

Kritisch anzumerken ist allerdings, dass die Studie die Praxisbedingungen in vielen Ländern mit guter Versorgung ignoriert hat. So war die „statistisch signifikante“ Überlegenheit der Google-Software in Großbritannien nicht besonders ausgeprägt und bezog sich nur auf die jeweils ersten Radiologen, die dort die Mammogramme begutachtet haben. Üblich ist im britischen System – wie auch im deutschen – allerdings die Prüfung durch (mindestens) 2 Radiologen, von denen der zweite den Befund des ersten kennt. Legt man diesen Maßstab an, so war KI-System weniger gut als jeweils 2 Fachärzte. Der Unterschied war allerdings gering, und es ist abzusehen, dass lernfähige KI-Systeme wie das hier getestete schon bald zur Ausstattung einer modernen Praxis gehören werden. Wenn schon nicht als „Dr. Google“ dann vielleicht als „Assistent Google“.

Quelle:

McKinney SM, Sieniek M, Godbole V, et al. International evaluation of an AI system for breast cancer screening. Nature. 2020;577(7788):89–94. doi:10.1038/s41586-019-1799-6.

(Publikumsversion eines nur für Ärzte zugänglichen Fachartikels für Univadis.de, erschienen am 5. Januar 2020)

Ganz kurz: Übergewicht und Demenz

Erkranken dicke Frauen häufiger an einer Demenz? Diese Frage haben sich Forscher um Sarah Floud vom Nuffield Department of Population Health an der Universität Oxford vorgenommen, und dafür Daten aus der „Million Women Study“ angeschaut. Wie der Name schon sagt haben daran – in den Jahren 1996 bis 2001 – mehr als eine Million Frauen in Großbritannien teilgenommen, die zwischen 50 und 64 Jahre alt waren.

Heraus kam, dass in der Tat Frauen, die im mittleren Lebensabschnitt stark übergewichtig sind, ein mäßig erhöhtes Risiko haben, später an einer Demenz, wie z.B. Alzheimer zu erkranken. Wegen der großen Zahl der Teilnehmerinnen und der langen Beobachtungszeit (durchschnittlich 18 Jahre) darf man mit großer Sicherheit davon ausgehen, dass dieses Ergebnis „real“ ist, also nicht auf zufälligen Schwankungen oder Fehlern bei der Analyse beruht.

Was wurde gemessen? Erst Mal der Body-Mass-Index (BMI), der das Körpergewicht im Verhältnis zur Größe angibt. Normal sind 18,5 bis 24,9, darüber beginnt das Übergewicht, und ab einem Wert von 30 spricht man von Adipositas (auf deutsch: Fettleibigkeit). Erfasst wurde außerdem, wieviel die Frauen sich bewegt haben, und für mehr als die Hälfte auch das Essverhalten.

Unter den 18695 Frauen, die in dieser Untersuchung später an Demenz erkrankten, waren solche mit einem (früheren) BMI über 30 eindeutig gehäuft vertreten. Das Risiko für diese, stark übergewichtigen, Frauen war aber „nur“ um 21 Prozent erhöht gegenüber jenen, deren Gewicht normal war.

Ob das Übergewicht auch die Ursache der Demenz war, ist mit solch einer Studie allerdings nicht zu beweisen. Möglich ist auch, dass die Fettleibigkeit andere Vorgänge im Körper widerspiegelt (wie beispielsweise erhöhte Blutfettwerte, die zu einer Arterienverkalkung führen, die wiederum als Ursache von Demenzen anerkannt ist).

Übrigens spielten die anderen Punkte langfristig offenbar keine Rolle: Weder wirkte sich die Kalorienaufnahme auf das Demenzrisiko aus, noch war es bei jenen erhöht, die sich weniger als ein Mal pro Woche körperlich betätigt hatten.

Quelle:
Floud S, Simpson RF, Balkwill A, et al. Body mass index, diet, physical inactivity, and the incidence of dementia in 1 million UK women. Neurology. 2019;10.1212/WNL.0000000000008779. doi:10.1212/WNL.0000000000008779.

Finanzierung: UK Medical Research Council, Cancer Research UK.

(Publikumsversion eines nur für Ärzte zugänglichen Fachartikels für Univadis.de, erschienen am 3. Januar 2020)