Nachdem ich mich als Redakteur bei der „WELT“ verabschiedet hatte, taten sich mir als Freier Journalist zahlreiche neue Möglichkeiten auf. So kann ich auch mal auf die Computermesse Orgatech und durfte meinen Spieltrieb an diversen Testgeräten ausleben.

Vorbei sind die Zeiten, in denen zukunftsorientierte Manager ihre Weltanschauung nur mit einer gewaltigen Kraftanstrengung zur Schau stellen konnten. „Tragbare“ Computer von der Größe eines Reisekoffers, noch vor wenigen Jahren Blickfang in VIP-Lounges und Konferenzzimmern, sind heute nur noch Grund zur Heiterkeit, kuriose Museumsstücke im besten Fall.

Was trägt der Mann von Welt stattdessen? Personal Organizer, Palmtop Computer und Subnotebooks sind gefragt – Elektronenhirne im Taschenbuchformat, deren Rechenkraft die klobigen Vorläufer im Vergleich wie Dinosaurier erscheinen läßt: zu schwer, zu groß, zu langsam.

In immer schnellerer Folge erscheinen jetzt auch auf dem europäischen Markt erschwingliche Kleinstcomputer. Verpackt auf engstem Raum und im gefälligen Design, übertreffen die Winzlinge häufig die Anforderungen der Käufer an mobile Rechenkraft. Die als „persönliche Datenbanken“ oder „elektronische Organisatoren“ angepriesenen Geräte der Firmen Atari, Casio oder Sharp etwa bieten ab circa 300 Mark eine Schreibmaschinentastatur und einen „Bildschirm“ von der Größe einer Visitenkarte – bei einem Gewicht von 200 Gramm.

Daumendick und im Format eines Briefumschlages übertreffen die Computerzwerge jeden noch so raffinierten Terminkalender. Neben Taschenrechner und Weltzeituhr (mit Wecker, versteht sich) finden sich Adreßdatenbank, Telefonverzeichnis, Terminplaner und Notizbuchfunktion als Mindestausstattung. Ab etwa 400 Mark bieten die Modelle die Möglichkeit, Speicherkarten hinzuzukaufen. Sie erweitern nochmals die Möglichkeiten der Westentaschensekretäre und bieten zum Beispiel professionelle Tabellenkalkulation, mehrsprachige Wörterbücher, perfektes Zeitmanagement, Datenaustausch mit dem heimischen Computer oder die Bibel im Volltext mit Suchfunktion.

Textverarbeitung mit Komfort zeichnet den Psion Serie 3 aus, der zum Preis von 895 Mark erhältlich ist. In Form und Größe einem Brillenetui nicht unähnlich, wiegt das Gerät ganze 220 Gramm. Zwei handelsübliche Nickel-Cadmium-Batterien liefern genug Strom für mehrere Wochen, beim Austausch sorgt eine Sicherungsbatterie dafür, daß gespeicherte Daten nicht verlorengehen.

Der Datenspeicher selbst ist mit 256 Kilobytes vergleichsweise großzügig ausgelegt; er bietet Platz für etwa 120 getippte DIN-A4-Seiten und kann gegen Aufpreis fast verzehnfacht werden. Anschauliche Symbole und eine Menüsteuerung, wie sie sonst nur „richtige“ Computer bieten, erleichtern den Umgang mit dem vielseitigen Zwerg, der neben Datenbank und Terminkalender eine ausgeklügelte Weltzeituhr und sogar eine Programmiersprache bietet.

Der Clou aber ist die Textverarbeitung, bei der zahlreiche Funktionen dem Programm Word des Marktführers Microsoft nachempfunden sind. Nur die schwergängige Tastatur trübt das Schreibvergnügen, dafür ist aber der Austausch von Dokumenten mit den geläufigsten Textverarbeitungsprogrammen möglich. Das hierfür nötige Spezialkabel kostet stolze 245 Mark, dank der mitgelieferten Software kann der Psion Serie 3 jedoch auch an ein Modem angeschlossen werden und erlangt  damit die Fähigkeit, seine Dateien über das Telefonnetz um die gesamte Welt zu schicken.

Eine Nummer größer – und somit auch für Menschen mit weniger grazilen Fingern geeignet – ist der Olivetti Quaderno, ein vollwertiger Computer im DIN-A5-Format mit italienischem Design und japanischer Technik. Bei nur einem Kilo Gewicht bietet der Quaderno 20 Megabytes Speicherkapazität (das Achtzigfache des Psion). Der Preis beträgt 2099 Mark.

Dafür kommt der Quaderno aber auch als erster Computer seiner Klasse einen vollen Arbeitstag lang ohne Netzstrom und schwergewichtige Reserveakkus aus. Sechs Nickel-Cadmium-Zellen genügen für die Reise. Anders als herkömmliche Laptops ist der Italiener sofort einsatzbereit, weil Funktionen wie Textverarbeitung, Taschenrechner, Tagebuch, Telefonverzeichnis und Datentransfer im Preis bereits enthalten sind.

Mit einer Sprachaufnahmefunktion gibt Olivetti der Konkurrenz schließlich vollends das Nachsehen: Durch ein eingebautes Mikrofon können Zitate, Adressen oder komplexe Sachverhalte blitzschnell gespeichert und anschließend mit Textdateien verbunden werden. Lediglich die verblüfften Gesichter der neidischen Geschäftspartner kann der Quaderno noch nicht dokumentieren.

(erschienen im WELT-Report zur Messe Orgatec am 22. Oktober 1992)