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Crowdfunding statt Krankenkasse?

Auf der Internetplattform GoFundMe werben schwerkranke Krebspatienten um Spender für Therapien, die Krankenkassen nicht bezahlen wollen. Eine Studie in der Fachzeitschrift Lancet Oncology fand heraus, dass mehr als 13000 Menschen bereit waren, dafür zu bezahlen – obwohl die Wirkung dieser Therapien nicht bewiesen ist, und sie möglicherweise sogar das Leben verkürzen.

Dass die Arbeiten von Philosophen in medizinischen Fachzeitschriften veröffentlicht werden, hat Seltenheitswert. Dass Professor Jeremy Snyder von der Simon Fraser University im kanadischen Burnaby es trotzdem geschafft hat, liegt an seinem Spezialgebiet: Wie Menschen die Hoffnungen anderer ausbeuten. Gemeinsam mit seinem Kollegen, dem Rechtsprofessor Timothy Caulfield von der Universität Alberta hat Snyder sich deshalb auch bei GoFundMe umgesehen, der mit Abstand größten Internetplattform für das sogenannte Crowdfunding – also die Finanzierung von Erfindungen, Projekten und Kampagnen aller Art durch eine große Anzahl Menschen.

Die beiden Forscher machten ihre Stichprobe auf der englischsprachigen Hauptseite von GoFundMe am 8. Juni 2018 und durchsuchten die Inhalte nach Worten wie „Krebs“ und „Homöopathie“, um Kampagnen für eindeutig unbewiesene Krebsbehandlungen zu finden. In ihrer Momentaufnahme fanden sie 220 Kampagnen, die von 13621 Geldgebern unterstützt wurden. Die weitaus meisten Antragsteller (85 Prozent) kamen aus den USA, mehrere aus Kanada und Großbritannien, und jeweils eine Person aus Deutschland, Irland und Spanien.

Die Treffer wurden unter anderem bezüglich des erbetenen und gespendeten Geldes, der Weiterverbreitung in sozialen Medien wie Facebook und demographischer Daten der Antragsteller ausgewertet. Dabei zeigte sich, dass die Antragsteller insgesamt etwas mehr als 5 Millionen Euro erbeten hatten ($ 5.795602). Dem standen 13621 Spender gegenüber, die sich verpflichtet hatten, mehr als 1,2 Millionen Euro zu zahlen ($ 1.413482) – also knapp ein Viertel der Gesamtsumme aller Anträge. Zusätzlich hatten die Besucher von GoFundMe die Kampagnen auf Facebook exakt 112353 Mal weiter verbreitet, indem sie diese teilten.

Bei 85 der 220 Patienten ruhten die Hoffnungen auf organischen Nahrungsmitteln und dem „Juicing“, also kalt gepressten Obst- und Gemüsesäften. 68 gaben an, sich mit dem Geld Nahrungsergänzungsmittel, Vitamine und Kräuter kaufen zu wollen, 30 hofften auf Infusionen von Vitamin C. Andere glaubten an Sauerstoff- und Ozonkuren, an die Akupunktur, Cannabis, Naturheilkunde, nicht zugelassene Immuntherapien, „Entgiftungen“, Geistheilungen, die chinesische Medizin, Misteln, Yoga, „Magnettherapie“ und zahlreiche weitere Verfahren, die von den Autoren allesamt als Krebsbehandlungen ohne Wirkungsnachweis betrachtet werden.

Der größte Teil der Antragsteller (38 Prozent) wollte ihre alternativen Therapien zusätzlich zur Schulmedizin anwenden. Fast ein Drittel (29 Prozent) lehnten die Schulmedizin jedoch generell ab. Sie hatten Angst vor den Folgen und/oder bezweifelten deren Wirkung. Ebenfalls fast ein Drittel lobte die Alternativmedizin mit falschen Behauptungen wie „Es ist bewiesen, dass die Homöopathie/Naturmedizin außergewöhnliche Heilungen erzielt und dass zahlreiche Patienten ihr das Leben verdanken.“

Tatsächlich hatte eine Studie erst vor kurzem gezeigt, dass krebskranke Anhänger der Alternativmedizin geringere Überlebensraten haben und ein höheres Risiko, zu versterben. Die Verzweiflung unter den Antragsstellern war offenbar groß, und viele sehr krank. Dies hatten die Forscher anhand der Informationen der Webseite festgestellt, aber auch durch die Auswertung von Sterberegistern, wo die genannten Namen auftauchten. So fanden sie heraus, dass mindestens 28 Prozent – also mehr als ein Viertel – der Patienten bereits verstorben waren.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist 96-book@2x.png   Quelle
  • Snyder J, Caulfield T. Patients‘ crowdfunding campaigns for alternative cancer treatments. Lancet Oncol. 2019 Jan;20(1):28-29. doi: 10.1016/S1470-2045(18)30950-1.

Kombiprogramm hält Senioren länger fit

Wie kann man die Selbstständigkeit von Senioren erhalten, die noch in ihrer eigenen Wohnung leben, aber schon Probleme mit Alltagsaktivitäten haben, wie zum Beispiel kochen, das Bett oder die Wäsche zu machen? Diese Frage haben sich Forscher und Ärzte an der Johns-Hopkins-Universität im US-amerikanischen Baltimore gestellt. Das Besondere daran ist, dass das Team um Professor Sarah L. Szanton sich nicht mit gut gemeinten Ratschlägen begnügte, sondern die Wirkung der vorgeschlagenen Maßnahmen systematisch ausgetestet und bewiesen hat.

In einer sogenannten randomisierten klinischen Studie verteilten sie 300, meist weibliche, Senioren ab 65 Jahren nach dem Zufallsprinzip auf 2 Gruppen. Beide Gruppen bekamen innerhalb von 5 Monaten 10 Mal Besuch. Während jedoch in der einen Gruppe lediglich ein Forschungsassistent vorbei schaute, der mit den Senioren darüber sprach, welche Aktivitäten sie gerne lernen oder ausüben möchten, bekam die andere Gruppe Besuch von bis zu 3 Spezialisten, die sich untereinander über die beste Vorgehensweise abstimmten: Ein Ergotherapeut, eine Krankenschwester, und ein Handwerker.

Das Programm trägt den Namen “Community Aging in Place—Advancing Better Living for Elders”, was sich etwa mit “Altern daheim – für ein besseres Leben der Senioren“ übersetzen lässt und mit CAPABLE (englisch für „fähig“) abgekürzt wird. Zuerst prüft der Ergotherapeut dabei, unter welchen Einschränkungen die Betroffenen leiden, welche Ziele sie haben, und inwiefern die Wohnungseinrichtung dabei hinderlich ist. Die Krankenschwester fragt nach Beschwerden wie Schmerzen, Depressionen, den eingenommen Medikamenten sowie Kraft und Balance. Gemeinsam wird dann überlegt, wie man den Senioren helfen kann, die selbst gesteckten Ziele zu erreichen – einschließlich von Reparaturen im Haus und baulichen Veränderungen, die das Leben erleichtern sollen.

Gemessen wurde das Ergebnis auf einer Skala, die die Fähigkeit beschreibt, Aktivitäten des täglichen Lebens (engl. Activities of daily live, ADL) zu bewältigen. Die Schwere der so erfassten Behinderungen verringerte sich dabei in der intensiv betreuten Gruppe um 30 %. Jeweils etwa 80 Prozent der Senioren in dieser Gruppe sagten auf Nachfrage, ihr Leben sei jetzt leichter geworden, sie könnten sich jetzt besser um sich selbst kümmern, und sie hätten mehr Vertrauen darin, die täglichen Aufgaben zu meistern. In der Vergleichsgruppe hatten dagegen nur etwa halb so viele Senioren (etwa 40 %) entsprechende Verbesserungen bemerkt.

Gekostet hat das „Rundum-Paket“ etwas weniger als € 2500 pro Teilnehmer. Darin eingeschlossen waren die Reparaturen und Veränderungen der Wohnung, die man auf etwa € 1100 Euro begrenzt hatte. Finanziert wurde die Studie von den US-Nationalen Gesundheitsinstituten (National Institutes of Health, NIH).

Begeistert kommentieren die beiden Altersmediziner Marlon J.R. Aliberti und Kenneth E. Covinsky die der Fachzeitschrift JAMA Internal Medicine erschienene Studie: CAPABLE sei ein innovatives Programm, um die Behinderungen und Einschränkungen bei älteren Menschen mit niedrigem Einkommen zu verringern. Außerdem rechnen sie vor, dass CAPABLE zumindest in den USA auch helfen könnte, die Kosten für das Gesundheitswesen zu senken. Ein Platz in einem Pflegeheim wird dort nämlich mit umgerechnet etwa € 4400 Euro pro Monat veranschlagt. Man würde also fast das Doppelte der Programmkosten einsparen, wenn es damit gelänge, die Einweisung um durchschnittlich auch nur einen Monat zu verzögern.

Quellen:

  • Szanton SL et al.: Effect of a Biobehavioral Environmental Approach on Disability Among Low-Income Older Adults: A Randomized Clinical Trial. JAMA Intern Med. 2019 Jan 7. doi: 10.1001/jamainternmed.2018.6026.
  • Aliberti MJR, Covinsky KE. Home Modifications to Reduce Disability in Older Adults With Functional Disability. JAMA Intern Med. 2019 Jan 7. doi: 10.1001/jamainternmed.2018.6414.

Training reduziert Sturzgefahr bei Älteren

Ältere Menschen, die mindestens ein Jahr lang zwei bis drei Mal wöchentlich trainieren, erleiden weniger Stürze und Sturzverletzungen. Dies berichten Dr. Philipe de Souto Barreto von der Universitätsklinik Toulouse und seine Kollegen in der Fachzeitschrift JAMA Internal Medicine.

Die Wissenschaftler haben allerdings keine eigene Untersuchung gemacht, sondern die Ergebnisse anderer Leute in einer sogenannten Meta-Analyse zusammengefasst.

In fünf verschiedenen Literaturdatenbanken suchten sie nach Studien mit Menschen ab 60 Jahren, die mindestens ein Jahr lang trainiert hatten, und bei denen man die Zahl der Stürze, Verletzungen, Brüche, Klinikeinweisungen und die Sterblichkeit mit einer Kontrollgruppe ohne solch ein Training verglichen hatte.

Die Ergebnisse von insgesamt 40 solcher Studien wurden bislang veröffentlicht. Sie hatten zusammen 21868 Teilnehmer (zwei Drittel davon Frauen), die im Durchschnitt 73 Jahre alt waren. Typischerweise waren diese Senioren drei Mal pro Woche für jeweils etwa 50 Minuten ins Training gegangen und hatten dort mit mittlerer Intensität Aerobic, Balance- und Kraftübungen gemacht.

Heraus kam, dass Senioren, die trainierten, ein zwölf Prozent niedrigeres Risiko hatten, zu stürzen. Stürze mit Verletzungen waren sogar um mehr als ein Viertel seltener (26 Prozent), und das Risiko für einen Knochenbruch schien um 16 Prozent kleiner. Hinweise auf schädliche Effekte des Trainings gab es keine. Damit wurde auch die Befürchtung entkräftet, dass der Sport bei den Senioren zu mehr Klinikeinweisungen oder gar Todesfällen führen könnte – etwa weil sie einen Herzinfarkt erleiden.

Besonders überraschend ist das Ergebnis nicht, denn andere Studien hatten zuvor schon gezeigt, dass weniger lange Fitnessprogramme die Sturzrate bei Senioren senken können. Neu ist jedoch die Erkenntnis, dass die längerfristigen Übungen auch für Menschen mit Herzerkrankungen und Nervenkrankheiten sinnvoll sein können.

Die Forscher selbst sprechen von einer „bescheidenen“ Verringerung des Sturzrisikos. Um dies zu erreichen sollten Senioren demnach zwei bis drei Mal pro Woche für jeweils 50 Minuten trainieren. Ein absoluter Schutz ist das allerdings nicht. In einem Kommentar zur Studie rechnen die US-Ärzte Ryan R. Kraemer und C. Seth Landefeld vor, dass für jeweils eine vermiedene Sturzverletzung 27 Senioren mindestens ein Jahr trainieren müssten. Und zur Verhinderung eines Bruches müssten sogar 100 Alte ein Jahr lang Sport treiben. Trotzdem sind Kraemer und Landefeld sich in ihrer Empfehlung an die Kollegen einig: „Ärzte sollten sportliches Training mittlerer Intensität in einer Häufigkeit von zwei bis drei Mal pro Woche verschreiben.“

Quellen: