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Schraubenwurmfliege ausgerottet

Einen Triumph bei der biologischen Schädlingsbekämpfung konnten Vertreter der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) der Vereinten Nationen gestern in Washington feiern: Gänzlich ohne Chemikalien ist es gelungen, die gefährliche Schraubenwurmfliege (Eintrag in der Encyclopedia of Live: Cochliomyia hominivorax) in Afrika auszurotten.

„Wir haben eine Katastrophe verhindern können“, erklärte Patrick Cunningham, Leiter der FAO-Schraubenwurmbekämpfung in Nordafrika, in Rom. „Wäre uns das nicht gelungen, hätte sich der Schädling womöglich von Libyen über ganz Afrika, in den Nahen Osten, nach Südeuropa und eventuell Asien ausgebreitet.“

Fiese Fliege: Cochliomyia hominivorax, deren Larven sich auch in menschlichen Wunden vermehren. (Quelle: The Mexican-American Commission for the Eradication of the Screwworm via Wikipedia)

Der Parasit befällt Warmblüter und kann damit Haus- und Wildtieren, aber auch dem Menschen gefährlich werden. Die Weibchen der Fliege legen jeweils bis zu 400 Eier in selbst kleinsten Wunden und Hautkratzern ihrer Opfer ab. Binnen kurzer Zeit entschlüpfen den Eiern fleischfressende Larven, die sich tief in die Wunde hineinfressen und gefährliche Infektionen auslösen können, denen selbst ausgewachsene Rinder innerhalb weniger Tage erliegen können.

Die Gefahr scheint nun gebannt, nachdem FAO-Experten die Fliegen erfolgreich mit – Fliegen – an der Fortpflanzung gehindert haben. Dazu wurden über eine Milliarde männlicher Schraubenwurmfliegen in Mexiko gezüchtet, mit radioaktiver Strahlung sterilisiert, nach Afrika geflogen und schließlich über Libyen aus Transportflugzeugen geworfen.

Ganz nach Plan paarten sich die Weibchen mit den impotenten Männchen und legten sogar Eier. Allerdings schlüpften aus diesen Eiern keine Larven mehr, der Fortpflanzungszyklus der Tiere wurde so unterbrochen. Innerhalb von sechs Monaten hatte die Kampagne, die lange Zeit aufgrund fehlender Geldgeber gefährdet war, rund 50 Millionen Dollar verschlungen; auch die Bundesrepublik beteiligte sich mit 3,6 Millionen. Zumindest für Afrika dürfte die Gefahr jetzt vorüber sein, dennoch wird die Überwachung der Region fortgesetzt.

(erschienen in „Die WELT“ am 8. Oktober 1991. Veranstaltung besucht auf Einladung der FAO)

Kommentar: Formel für den Erfolg

Gestern haben – wieder einmal – Wissenschaftler der deutschen Max-Planck-Gesellschaft einen Nobelpreis erhalten, diesmal den Preis für Medizin und Physiologie. Es handelt sich um die Professoren Bert Sakmann und Erwin Neher, Nummer 27 und 28 auf der langen Liste der Preisträger, die diese Organisation hervorgebracht hat. Es drängt sich die Frage auf, warum die Max-Planck-Gesellschaft so viele, die Großforschungseinrichtungen des Bundes mit ihren Heerscharen von Wissenschaftlern dagegen noch keinen einzigen Preisträger vorweisen können.

Mein Kommentar zum Medizin-Nobelpreis 1991 für Bert Sakmann und Erwin Neher. Kurz darauf sagte man mir, Forschungsminister Heinz Riesenhuber sei darüber „nicht erfreut“ gewesen.

Mehrere Direktoren der Gesellschaft geben auf diese Frage die gleiche Antwort: Die besondere Organisationsstruktur dieser Einrichtung macht Forschung zum Vergnügen. Valentin Braitenberg, Direktor des Institutes für Biokybernetik in Tübingen spricht gar von einer „Insel der Seeligen“, auf der Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen ihre Ideen austauschen können. Da lohnt es sich die Formel für den Erfolg etwas nähert anzuschauen, vielleicht sogar auf die eher ein wenig träge wirkenden Großforschungseinrichtungen zu übertragen, die manchmal eine verblüffende Ähnlichkeit mit Beamtenverwahrungsanstalten haben.

Gelder werden bei der MPG nur nach gründlicher Überprüfung verteilt, dann aber über einen längeren Zeitraum. Ohne Hast (und auch ohne Lehrverpflichtungen) können die Direktoren junge Nachwuchsforscher um sich scharen, ohne ständig ihre Energie auf das Schreiben neuer Anträge verschwenden zu müssen. Vielleicht würde es sich ja lohnen, einige Millionen aus prestigeträchtigen, aber wissenschaftlich eher zweifelhaften Großprojekten wie der bemannten Raumfahrt abzuziehen. Das eingesparte Geld könnte man dann in die Hände derjenigen legen, die bewiesen haben, daß sie damit meßbare Resultate zu erreichen vermögen.

Mehr Reis mit weniger Pestiziden

Das überraschende Ergebnis langjähriger Versuche in den Reisfeldern Indonesiens präsentierte Dr. Peter Kenmore jetzt auf einem Seminar der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) der Vereinten Nationen in Rom. Demnach führt der Einsatz von Insektiziden in dieser Region nicht wie bisher angenommen zu einer besseren Ernte, sondern vermindert sogar die Erträge der Reisbauern.

„Statt wie früher üblich Insektizide, Düngemittel und Saatgut blind auf einen Haufen zu werfen, verfolgt man in diesem Land jetzt eine andere Politik“, erklärte Kenmore. Dies sei das Resultat von Untersuchungen, wonach der Hauptschädling beim Reisanbau, die Braunrückige Reiszikade (Eintrag in der Encyclopedia of Live: Nilaparvata lugens), vom undifferenzierten Insektizideinsatz profitiert, weil deren natürliche Freßfeinde wie Spinnen und verschiedene Käferarten stark dezimiert werden.

Zäher Schädling: Die Braunrückige Reiszikade (Quelle: CSIRO via Wikipedia)

Die Reiszikade mit ihren kurzen Generationszeiten kann nämlich nach jeder Sprayaktion binnen weniger Wochen neuen Nachwuchs hervorbringen, wohingegen die nützlichen Insekten mehrere Monate brauchen, um sich von der Vergiftung zu erholen. Diese Beobachtungen wurden unterstützt durch statistische Analysen, wonach in Indonesien der Verbrauch von – staatlich subventionierten – Insektiziden ständig anwuchs, während die Erträge der Reisbauern zurückgingen.

Im bevölkerungsmäßig fünftgrößten Land der Erde wurde daraufhin 1986 der Einsatz von Insektiziden stark eingeschränkt, und stattdessen ein Programm der FAO angewandt, das auf intensiven Instruktion der Reisfarmer vor Ort basiert und ökologische Zusammenhänge aufzeigt. Mittlerweile, so wurde jetzt bekannt, erwirtschaftet das Land 13 Prozent mehr Reis als 1986; gleichzeitig ist der Pestizidverbrauch um 60 Prozent zurückgegangen.

(erschienen in „DIE WELT“ am 7. Oktober 1991. Veranstaltung besucht auf Einladung der FAO)