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Symposium 5 Jahre Piracetam

Der Einsatz von Nootropika zur Behandlung von Hirnleistungsstörungen im Alter und hirnorganischem Psychosyndrom wurde ursprünglich mit großer Skepsis bedacht. Dennoch wird diese Medikamentengruppe in den neunziger Jahren wahrscheinlich das dynamischste Wachstumsgebiet im Bereich der Neuropsychopharmaka darstellen.

Ein ganzes Symposium drehte sich um diesen Wirkstoff: Piracetam (Von MarinaVladivostok via Wikipedia, CC0)

Über 600 Teilnehmer aus 15 Ländern waren im April in Athen zusammengekommen, um eine Bilanz über Piracetam, den „klassischen“ Vertreter dieser Medikamentenklasse, zu ziehen. Veranstalter des Symposiums „Piracetam: 5 Years Progress in Pharmacology & Clinics“ war die griechische Gesellschaft für Neurologie, als industrieller Sponsor trat das belgische Pharmaunternehmen UCB auf, das Piracetam als Nootrop® anbietet.

In seiner Begrüßungsansprache wies der Entdecker des Piracetams, Prof. Dr. Corneliu Giurgea (Universität Louvain, Belgien), darauf hin, dass dem Baby-Boom der siebziger Jahre ein „Geriatrie-Boom“ folgen müsse, der etwa um das Jahr 2010 zu erwarten sei. Zwar ist der Wirkungsmechanismus des Piracetams, das mit der Gammaaminobuttersäure verwandt ist, noch immer unbekannt, doch weiß man, dass sich dessen günstiger Effekt auf den gestörten Energiestoffwechsel des Gehirns unter anderem in der Stimulation des oxidativen Glukoseabbaus, Erhöhung von ATP-Umsatz und cAMP-Spiegel sowie einem verstärkten Phospholipidstoffwechsel manifestiert.

Zwei zusammenfassende Analysen über Wirkungen und Nebeneffekte dieses Nootropikums präsentierte Dr. Walter Deberdt (Medical Advisor UCB, Belgien). Die Resultate von 18 doppelblinden, plazebokontrollierten Studien an insgesamt 1195 älteren Patienten legten nahe, dass Piracetam zu einer generellen Verbesserung des zerebralen Alterungsprozesses führen könne, so Deberdt.

Die Auswertung von 57 Studien an 3372 Patienten ergab eine signifikante Häufung von Nebenwirkungen für die Piracetam-Behandlung, besonders bei Dosen von 4,8 Gramm täglich. So waren Hyperaktivität, Schlaflosigkeit, Nervosität, Somnolenz, Depressionen und Angstgefühle vermehrt zu beobachten. Da jedoch die Inzidenz der Nebenwirkungen niedrig sei (das Maximum bildete Hyperaktivität bei fünf Prozent der Patienten), überwiegt nach Deberdts Meinung der klinische Nutzen einer Piracetam-Behandlung das Risiko bei weitem.

Mehrere randomisierte, doppelblinde Studien belegten diesen Anspruch. So untersuchte Dr. Liliane Israel (CH.R.U. Grenoble, Frankreich) den Einfluss von Piracetam in Kombination mit Gedächtnistrainingsprogrammen auf 162 Patienten mit altersbedingten Gedächtnisstörungen (AAMI = Age Associated Memory Impairments).

Drei Gruppen von je 54 Patienten im durchschnittlichen Alter von 66 erhielten über einen Zeitraum von drei Monaten Placebo oder Piracetam in Dosen von 2,4 oder 4,8 Gramm täglich. Außerdem wurden die Patienten einmal wöchentlich in Gruppen zu zehn Personen von einem Psychologen im Gedächtnistraining unterwiesen. Die Bewertung der Gedchtnisfunktion wurde schwerpunktmäßig anhand der Vergeßlichkeit vorgenommen und psychometrisch (durch Bewertungsskalen, Fragebögen und Tests) sowie klinisch (basierend auf dem Urteil von Psychologe, Arzt und Patient) gemessen.

In der abschließenden Bewertung durch den Psychologen (gestaffelt in: keine, geringe, mittlere und starke Verbesserung) zeigte sich bei Patienten, die 4,8 Gramm Piracetam eingenommen hatten, eine starke Verbesserung in 42,5 Prozent der Fälle, und eine mittlere Verbesserung in 51 Prozent der Fälle. Bei Einnahme von täglich 2,4 Gramm Piracetam betrugen die entsprechenden Werte 11,5 und 70,5 Prozent (Plazebo: 2 und 20 Prozent). Bei Einnahme von täglich 4,8 Gramm Piracetam zeigten 53,5 Prozent der Probanden eine klinisch relevante Verbesserung der Gedächtnisfunktion. Für eine Dosis von 2,4 Gramm betrug dieser Wert 38 Prozent, und für Plazebo 22 Prozent.

Da die nachweisbaren Responderraten für die gegenwärtig verfügbaren Nootropika eher niedrig sind, sei es wichtig, für diese Medikamentenklasse eine Beziehung zwischen Kosten und Nutzen zu demonstrieren. Diese Meinung vertrat Prof. Dr. Werner Martin Herrmann (Arzneimittelforschung GmbH, Berlin), der sich mit den Auswirkungen einer Piracetam-Behandlung auf das Alltagsleben der Patienten befasste, beispielsweise auf das Ausmaß der Hilfsbedürftigkeit, auf sinnvolle Beschäftigung und Interaktion mit anderen Personen.

Herrmann erläuterte die Ergebnisse einer Phase-III-Studie an 130 stationären geriatrischen Patienten mit Hirnleistungsstörungen. Über einen Behandlungszeitraum von 12 Wochen erhielten jeweils die Hälfte der Patienten im Alter von 65 bis 85 Jahren täglich 4,8 Gramm Piracetam oder Placebo. Beurteilungsgrundlage für die Abschätzung des Behandlungserfolgs war vorwiegend eine Skala auf der Grundlage von ADL-(Activities of daily living). So wurde beispielsweise die „Hilfsbedürftigkeit des Patienten“ in der Beurteilung des Pflegepersonals betrachtet. Hier wurde nach Änderungen bei Aktivitäten wie Waschen, Anziehen, Essen oder Toilette gefragt, aber auch nach sinnvoller Beschäftigung und Interaktion mit anderen Personen. Während sich unter Placebo 23 Patienten verbesserten und 18 verschlechterten, besserten sich unter Piracetam 55 Patienten bei nur einer Verschlechterung. Herrmann ist der Meinung, dass diese deutliche Verbesserung auch außerhalb des klinischen Milieus Bedeutung haben dürfte. Wenn eine unterstützende Nootropika-Therapie die Pflegeabhängigkeit auch nur der Hälfte der Patienten geringfügig verringern würde, so die Argumentation, würde dies bereits eine entscheidende Möglichkeit eröffnen, den Anteil an sozialen Aktivitäten mit dem Pfleger zu erhöhen.

Der progressive Verlust der Autonomie stellt eines der größten Probleme des Alters dar. Die vollständige Auswertung einer Untersuchung aus dem Jahr 1986 über das Fahrverhalten älterer Personen fand daher besondere Beachtung. Die von Dr. Elke Ludemann (Arbeits- und Forschungsgemeinschaft für Verkehrsmedizin und Verkehrspsychologie, Köln) vorgetragene Untersuchung hatte ihren Schwerpunkt in der Fahrverhaltensbeobachtung unter realen Verkehrsbedingungen mit Beobachtungs- und Meßzeiten von durchschnittlich 110 Minuten pro Testfahrt.

Ein Vergleich des Fahrverhaltens älterer Menschen mit dem am wenigsten unfallbelasteten Altersbereich (30 bis 50 Jahre) zeigt eine Verlagerung des Risikopotentials von überhöhter Geschwindigkeit auf die Vorfahrtsverletzungen an Kreuzungen. 101 Kraftfahrer mit einem Durchschnittsalter von 62,2 Jahren, deren Reaktions- und Orientierungsleistungen am Wiener Determinationsgerät 50 Prozent oder weniger entsprachen, erhielten täglich 4,8 Gramm Piracetam oder Plazebo. Nach Abschluß des sechswöchigen Behandlungszeitraumes ergab sich beim Parameter „Orientierung“, der in enger Beziehung zu hohen Unfallzahlen steht, eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Leertest für die Piracetamempfänger. Der Prozentsatz der richtig gelösten Aufgaben verbesserte sich signifikant von 77 auf 84 Prozent, während die Leistungen der Placebo-Empfänger unverändert blieben.

Neben einer Vielzahl von Studien über die Wirksamkeit des Piracetams bei akuten zerebralen Schädigungen, die an kleinen Patientenkollektiven vorgenommen wurden und sich oft an der Grenze zur Signifikanz bewegten, präsentierte Prof. Dr. Horst Herrschaft (Chefarzt der Neurologischen Klinik des Niedersächsischen Landeskrankenhauses Lüneburg) das Ergebnis einer randomisierten Doppelblindstudie mit 44 Patienten im Alter von 29 bis 80 Jahren mit ischämischen zerebralen Insult. Zusätzlich zur Standard-Hämodilutionstherapie erhielten die 23 Patienten der Verumgruppe während der ersten zwei Behandlungswochen dreimal täglich 4,8 Gramm Piracetam i.v., danach für weitere zwei Wochen 4,8 Gramm Piracetam täglich oral.

Alle Parameter zeigten eine Überlegenheit der Piracetambehandlung, für Paresen, Aphasien, Bewusstseinsstörungen und das EEG statistisch signifikant. Die Gesamtbesserungsrate unter der Kombinationstherapie Dextran/Piracetam übertraf die Standardtherapie um 30 Prozent, ein Ergebnis, das auch von klinischer Relevanz sein dürfte.

(Mein erster Artikel für das Deutsche Ärzteblatt, erschienen in gekürzter Form am 26. Juli 1990. Letzte Aktualisierung am 14. März 2017)

Quelle: Symposium Piracetam: 5 Years Progress in Pharmacology & Clinics. Athen, 29. April 1990. (Reisekosten und Unterkunft wurden bezahlt von UCB)

Was ist daraus geworden? Der Begriff Nootropikum ist unscharf, und Piracetam wird heute eher als Antidementivum eingeordnet, also als ein Mittel gegen Gedächtnisstörungen. Der „Geriatrie-Boom“, den Prof. Giurgea für das Jahr 2010 vorhergesagt hatte, ist tatsächlich eingetroffen. Die wohl schwerste Hirnleistungsstörung im Alter – die Alzheimer-Demenz – wird heute indes mit anderen Medikamenten behandelt.

Die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft stellte im Jahr 2004 fest, dass viele der älteren Studien mit Piracetam methodische Schwächen hätten. Dort wird auch auf eine Literaturanalyse der Cochrane Collaboration verwiesen, wonach Piracetam zwar den klinischen Gesamteindruck verbessert, nicht aber die Hirnleistung.

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie listet Piracetam in ihrer 2016 veröffentlichten Leitlinie Demenz unter „andere Wirkstoffe“ zusammen mit Nicergolin, Hydergin, Phosphatidylcholin (Lecithin), Nimodipin, Cerebrolysin und Selegilin. Sie DGN hält die Beweislage für all diese Substanzen bei der Alzheimer-Demenz für unzureichend, und urteilt: „Eine Behandlung wird nicht empfohlen.“

Unterdessen wird Piracetam von UCB außer unter dem Markennamen Nootrop™ auch als Nootropil®, Noostan™ und Nootropyl™ verkauft, und ist in mehr als 100 Ländern zugelassen. Allerdings wird dieser Wirkstoff auch illegal – das heißt ohne ärztliches Rezept – von gesunden Menschen eingenommen, die sich davon eine höhere Hirnleistung versprechen. Über dieses „Hirn-Doping“ habe ich seitdem mehrfach geschrieben und bin noch immer der Meinung, dass eine Tasse Kaffee mindestens ebenso gut wirkt, besser schmeckt, und keine Nebenwirkungen hat.

Das aktuelle Fachbuch: PC-Einkaufsführer

Die Unsitte vieler „Fachverkäufer“, teure Waren mit viel Geschwätz und wenig Sachverstand an den Kunden zu bringen, kann den Computerkauf zum traumatischen Erlebnis machen. Der „PC-Einkaufsführer“ bietet dagegen eine willkommene Entscheidungshilfe für alle, die sich entschlossen haben, die Schwelle zum elektronischen Zeitalter zu überqueren. Witzig und sehr kenntnisreich geschrieben, gibt das Buch Tipps für die Praxis. Welcher Computer ist der richtige für mich, lohnt es sich, 1000 Mark für einen Farbbildschirm zu investieren, brauche ich einen Laserdrucker? Wozu RAM und ROM, CAD und DTP, Maus und Modem? Nach der Lektüre ist man mit Sicherheit schlauer und in die Lage versetzt, teure Fehlentscheidungen zu vermeiden.

„PC-Einkaufsführer – Einsteigen ohne auszusteigen“, von Christian Spanik und Hannes Rügheimer. Markt und Technik Verlag, Haar bei München. 347 Seiten, 39 Mark.

(erschienen in der WELT am 18. Juni 1990 und als Rezension bei Amazon.de)

Software-Test Psion-Chess

Geduldiger als jeder menschliche Schachpartner ist Psion-Chess. Dieses Programm – ein Klassiker – überzeugt durch Spielstärke und eine Reihe von Manipulationsmöglichkeiten, die ein Gegenspieler aus Fleisch und Blut niemals zulassen würde. Eine Installation ist nicht nötig, die knappe Dokumentation ist – Schachkenntnisse vorausgesetzt – ausreichend.

Das Spielbrett lässt sich umdrehen und nach Belieben zwei- oder dreidimensional darstellen. Die Figuren müssen recht umständlich mit dem Cursor bewegt werden. Eine Maus ist leider ebenso wenig vorgesehen wie die direkte Eingabe von Zügen über die Tastatur. Dafür erlaubt Psion-Chess aber die Wahl zwischen 14 Spielstufen, bei denen die Bedenkzeit von beliebig bis zum sofortigen Zugzwang verkürzt werden kann. Während des Spiels ist ein Seitenwechsel jederzeit möglich, eigene Züge können ebenso wie die des Computers zurückgenommen werden. Derartige „Fouls“ werden gerechterweise mit dem Verschwinden der „Turnierstatus“-Anzeige vom Bildschirm bestraft.

Das Programm erlaubt den Aufbau von Stellungen und gibt auf Wunsch auch Tipps für den „optimalen“ Zug. Sofern möglich, löst Psion-Chess auch Aufgaben wie Matt in zwei, drei und sogar acht Zügen. Die gespielten Partien lassen sich abspeichern und an einem beliebigen Punkt fortsetzen oder ändern. Dadurch eignet sich Psion-Chess hervorragend als Trainingspartner.

Trotz des großen Erfolges bei Markteinführung wurde die Produktpflege leider vernachlässigt. So wäre es sicher keine große Mühe gewesen, einen Dateimanager hinzuzufügen, mit dem sich der Verlauf abgespeicherter Partien kommentieren ließe. Dies und die fehlende Möglichkeit, Spiele auch in Kurznotation einzugeben, machen den Aufbau einer Privatbibliothek lehrreicher Partien unnötig schwer.

„Psion-Chess“, Psion GmbH, für IBM-PC und Kompatible; 89,50 DM.

(erschienen in der WELT am 13. Juli 1990)

Was ist daraus geworden? Psion-Chess gibt es immer noch, inzwischen sogar kostenlos. Im DOSGamesArchive.com kann man es herunterladen – eine Gewähr gibt es von mir dafür aber nicht!

Wespe gegen Feuerameise

Amerikanische Wissenschaftler haben eine Wespenart entdeckt, die in den Bau der berüchtigten Feuerameise (Solenopsis invicta) eindringen kann und deren Larven auffrisst. Die Feuerameisen, gefürchtet wegen ihrer äußerst schmerzhaften Stiche, waren in den dreißiger Jahren aus Südamerika in die USA eingeschleppt worden. Dort haben die Insekten sich trotz jahrzehntelanger Abwehrmaßnahmen rapide vermehrt und wurden mittlerweile zu einer regelrechten Landplage.

Beißende und stechende Landplage: Die Feuerameise Solenopsis invicta (Von April Nobile und www.antweb.org, CC BY-SA 3.0)

Die aus Brasilien stammende Schlupfwespe Orasema ist die einzige Tierart, die lebend in den Bau der Feuerameise gelangt. Dies gelingt, weil die winzigen Wespenlarven sich an nahrungssuchende Ameisen anhängen und so unbemerkt bleiben. Im Inneren des Ameisenbaus nehmen die Wespenlarven dann auf noch unbekannte Weise den Geruch ihrer unfreiwilligen Gastgeber an. Anschließend bohren sie sich in Ameisenlarven und warten ab, bis diese eine gewisse Größe erreicht haben. Möglicherweise durch Hormone werden die Parasiten dann wieder aktiv und fressen die Ameisenlarven von innen heraus auf. Der Schaden, den die Wespen auf diese Weise anrichten, ist allerdings nicht groß genug, um die Feuerameisen wirksam zu bekämpfen.

(erschienen in der WELT am 7. Juli 1990)

Quelle: Beard J. Fire ants deceived by killer wasps. New Scientist 5. Mai. 1990

Erblicher Wandertrieb

Die Weibchen der Grünen Meeresschildkröte (Chelonia mydas) werden auf der Wanderung zu ihren Legeplätzen wahrscheinlich von ihren Genen geleitet. Rund 30 Jahre nach ihrer Geburt suchen die geschlechtsreifen Weibchen ihre Eiablageplätze in der Karibik oder am Atlantik auf, wobei manchmal Tausende von Kilometern zurückgelegt werden.

Grüne Meeresschildkröte im Ozean vor der thailändischen Küste (Von Schuetze77 aus der deutschsprachigen Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Wie man aus Untersuchungen an markierten Tieren weiß, kehren die Weibchen dann in jeder Saison an „ihren“ Legeplatz zurück. Dieses faszinierende Verhalten ließe sich sowohl durch schlichte Vererbung als auch durch eine „soziale“ Theorie erklären, wonach jungfräuliche Weibchen auf dem offenen Meer mit erfahrenen Artgenossen zusammentreffen, von denen sie zur ersten Eiablage geleitet werden. Gemäß der sozialen Theorie halten die Schildkröten dann an dem Ort fest, wo sie das Brutgeschäft erstmals erfolgreich bestreiten.

Anne Meylan vom Florida Meeresforschungsinstitut und ihre Kollegen Brian Bowen und John Avise von der Universität Georgia haben nun das Erbmaterial in den Mitochondrien der Tiere untersucht. Diese Zellbestandteile werden nur von mütterlicher Seite vererbt, es findet also bei der Befruchtung keine Durchmischung des mitochondrialen Erbmaterials (mtDNA) statt. Spontane Veränderungen in der mtDNA, die sich im Laufe der Zeit ansammeln, geben deshalb Hinweise auf die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Organismen.

Den Biologen gelang es, eingefangene weibliche Schildkröten anhand ihrer mtDNA den verschiedenen Brutkolonien zuzuordnen. Dies aber spricht gegen die soziale Theorie, nach der ein Austausch des Erbmaterials zwischen den Kolonien stattfinden müsste. Dies hat Auswirkungen auf Schutzbemühungen für die Schildkröten: Sollte die Wahl der Brutplätze genetisch festgelegt sein, so ist jegliche Umsiedelung von Zuchttieren an neue Eiablageplätze zum Scheitern verurteilt.

(gekürzte Version erschienen in der WELT am 7. Juli 1990. Letzte Aktualisierung am 13. März 2017)

OriginalliteraturMeylan AB, Bowen BW, Avise JC. A genetic test of the natal homing versus social facilitation models for green turtle migration. Science. 248(4956):724-7

Software-Test PC Globe

Elektronischer Atlas und aktuelles Jahrbuch zugleich ist PC Globe 3.0. Die Datenbanken der Vereinten Nationen, der Weltbank und verschiedener amerikanischer Behörden bis zum CIA wurden für die Erstellung des Programmes herangezogen. Karten des gesamten Globus lassen sich darstellen. Mit Cursortasten oder der Maus können 177 Länder angewählt werden, für die einzelnen Länder wiederum lassen sich die großen Städte (1300 insgesamt) sowie Höhenkarten und geographische Besonderheiten anzeigen, was mit EGA- oder VGA-Karte ein farbenfreudiges Vergnügen ist.

Blitzschnell erscheinen Staatenverbände, wie die Opec oder der Warschauer Pakt auf dem Globus in frei definierbaren Farben. Dem Reisenden mit Laptop besorgt PC Globe die Umrechnung seiner Devisen; Entfernungsangaben zwischen den Städten werden ebenso bewältigt wie die Anzeige der jeweiligen Zeitzone. Sehr ergiebig ist die bereits erwähnte Datenbank, der sich Details über die Anzahl der Zahnärzte in Uganda (17) ebenso entnehmen lassen wie Uruguays Einnahmen aus dem Tourismus (443 Millionen Mark jährlich).

Altersverteilung, Sprach- oder Religionszugehörigkeit, Staatsoberhaupt – PC Globe lässt wenige Fragen unbeantwortet. Interessant ist auch der Vergleich der vorhandenen Daten – so macht Erdkunde Spaß. Einträge durch den Benutzer sind leider nicht möglich, sodass dieser sich an die geplanten jährlichen Updates halten muss, die zwischen 30 und 50 Mark kosten sollen.

Daten können im Lotus-1-2-3-Format exportiert werden, Bildschirminhalte lassen sich als PCX- (Paintbrush)Dateien speichern. Bedienung und Installation des Programmes sind einfach, allerdings ist die Unterstützung für nur eine Handvoll Drucker etwas mager ausgefallen.

„PC Globe 3.0“, Markt und Technik Verlag; für IBM PC/XT, IBM PC/AT und PS/2-Computer und Kompatible; 169 Mark.

(erschienen in der WELT am 6. Juli 1990)

Was ist daraus geworden? Laut Wikipedia erschienen noch zwei weitere Ausgaben unter dem Namen PC Globe, eine weitere unter dem neuen Besitzer Broderbund mit dem neuem Namen PC Globe Map-n-Facts. Die hier besprochene Version gibt es als „Abandonware“ noch kostenlos zum Download bei WinWorld. Eine zeitgemäße und verhältnismäßig günstige Alternative ist der Fischer Weltalmanach 2017 mit CD-ROM..

Software-Test DR DOS 3.41

Betriebssysteme sind unerlässlicher Bestandteil eines jeden Computers – sie bilden die Schnittstelle zwischen dem Benutzer und den gekauften Anwenderprogrammen. Gleichzeitig übernimmt ein ideales Betriebssystem die Rolle eines Werkzeugkastens, mit dem der Rechner auf die individuellen Bedürfnisse des Anwenders eingestellt werden kann.

Soweit zur Theorie. In der Praxis jedoch musste sich zumindest der Anfänger bisher durch langweilige und schwer verständliche Handbücher quälen, um wenigstens eine Handvoll der simpelsten Befehle zu erlernen. DR DOS von Digital Research bietet hier eine echte Alternative. Das Programm ist voll kompatibel zur Version 3.3 des Industriestandards, der von IBM (PC-DOS) und der Firma Microsoft (MS- DOS) bestimmt wird, verfügt aber über einige zusätzliche Leistungen.

Die Installation von DR DOS wird über ein Menü gesteuert; eine Hilfefunktion erklärt die verschiedenen Auswahlmöglichkeiten, darunter auch solche, auf die der normale DOS-Anwender – wenn überhaupt – erst nach einiger Zeit stößt. Eine Besonderheit des Programms ist der Passwortschutz, der auf drei „Sicherheitsebenen“ möglich ist. Damit kann selektiv das Lesen, Editieren und Kopieren oder das Löschen und Umbenennen von Dateien kontrolliert werden.

Außerdem verfügt DR DOS über einen Editor, ein rudimentäres Textverarbeitungsprogramm also, das die Bearbeitung von Stapeldateien und ähnlichem erleichtert. Ein Eingabepuffer, dessen Größe vom Benutzer bei der Installation festgelegt werden kann, speichert die zuletzt eingegebenen Befehle an das Betriebssystem, was einige Schreibarbeit ersparen kann. DR DOS verwaltet Festplatten bis zu 512 Megabyte, bietet aber weder eine grafische Benutzeroberfläche noch Mausunterstützung.

„DR DOS 3.41“ von Digital Research; für IBM PC/XT, IBM PC/AT und PS/2 Computer und Kompatible; 150 DM.

(erschienen in der WELT vom 2. Juli 1990)

Was ist daraus geworden? Ein ausführlicher Artikel in der Wikipedia enthält alles Wissenswerte. Die Webseite, auf die dort verwiesen wird, ist zwar ziemlich verwaist, bestellen kann man die letzte Version aber immer noch . Für $79 !