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Aids-Impfstoff bei Schimpansen erfolgreich?

Ermutigende Resultate bei der Erprobung eines Aids-Impfstoffes an zwei Schimpansen melden Wissenschaftler des Pasteur Instituts in Paris. Sie impften jeden Affen gleich dreimal, und zwar jeweils mit verschiedenen, aber ähnlichen Substanzen. Die Tiere erhielten einen gereinigten Eiweißstoff aus der Hülle des Virus (gp 160) und ein künstlich hergestelltes Eiweißbruchstück (V3), das einem Virusprotein ähnlich ist.

Nach sechs Monaten konnte selbst mit der besten Nachweismethode kein Erbmaterial des Aids-Virus mehr im Blut entdeckt werden. Die Forscher warnen allerdings vor übertriebenen Hoffnungen. Derzeit könne man noch nicht sicher sein, dass der Impfschutz gegen HIV komplett sei. Man müsse die nächsten sechs Monate abwarten, um sichergehen zu können. Bevor die Impfung mit V3 an Patienten erprobt werden kann, muss sie nochmals erfolgreich an Schimpansen wiederholt werden.

(erschienen in der WELT am 23. Mai 1990)

Was ist daraus geworden? Etwa 80 verschiedene Studien mit Impfstoffen gegen HIV hat es bisher gegeben, darunter auch solche, die V3 und/oder gp160 enthielten. Dennoch gibt es bis heute keine Vakzine, die vor Ansteckung schützt.

Auf Streicheleinheiten reagieren Pflanzen empfindlich

Wer glaubt, seinem Gummibaum durch tägliche Streicheleinheiten zu schnellerem Wachstum verhelfen zu können, der irrt. Über 80 Prozent aller Pflanzenarten reagieren zwar auf mechanische Reize wie Wind, Regen und andere Berührungen, doch diese Gewächse bleiben meistens kleiner als ihre unbehelligten Artgenossen. Schon vor 20 Jahren beobachtete man, dass bereits das regelmäßige Vermessen von Laborpflanzen ausreicht, um deren Wachstum merklich zu beeinträchtigen.

Thigmomorphogenese heißt der Zungenbrecher, mit dem Botaniker dieses Phänomen beschreiben. Janet Braam und Ronald Davis von der Stanford-Universität in Kalifornien gelang es jetzt, einige der Vorgänge aufzuklären, die bei diesem rätselhaften Anpassungsverhalten in den Pflanzen ablaufen. Die Forscher untersuchten dazu Arabidopsis-Gewächse, eine Spezies, die sich in den Labors der Molekularbiologen großer Beliebtheit erfreut. Es zeigte sich, dass Pflanzen, die zweimal täglich sanft gestreichelt wurden, dabei im Wachstum deutlich zurückblieben; schon nach 14 Tagen hatten ungestörte Kontrollpflanzen mehr als die doppelte Höhe erreicht.

Wie die beiden Wissenschaftler jetzt in der Fachzeitschrift „Cell“ berichten, werden unter den Abertausenden von Pflanzengenen durch Regen, Wind oder Berührung der Blätter nur vier oder fünf aktiviert. Dadurch nimmt die Anzahl der Botenmoleküle (mRNA), die diese genetischen Informationen zu den Eiweiß-Fabriken der Zellen tragen, rapide zu. Bereits 30 Minuten nach der Behandlung haben sie sich um das Zehn- bis Hundertfache vermehrt. Dabei waren die Pflanzen offensichtlich in der Lage, die Stärke der Berührung zu erspüren. Je mehr Gewicht nämlich auf den Blättern lastete, umso kräftiger vermehrten sich die Botenmoleküle der Berührungsgene.

Doch welche Eiweißstoffe sind es, deren Produktion durch die Berührungsgene angekurbelt wird? Und was bewirken diese Substanzen in der Pflanze? Um diese Fragen zu klären, ermittelten die Forscher zunächst die exakte Reihenfolge (Sequenz) der molekularen Bausteine für die fadenförmigen Erbmoleküle. Mit Computerhilfe wurden die gefundenen Sequenzen dann mit denen verglichen, wie sie in internationalen Datenbanken für jedermann frei zugänglich sind. Eines der gefundenen Berührungsgene, so ergab die Computersuche, enthält den Bauplan für Calmodulin. Zwei weitere Eiweiße, die von den Arabidopsis-Gewächsen produziert werden, sind dem Calmodulin offensichtlich sehr ähnlich. Dieses Eiweiß ist bei allen Tier- und Pflanzenarten zu finden und spielt bei der Weiterleitung von Reizen eine zentrale Rolle.

In Pflanzen ist Calmodulin unter anderem an der Regulation von Zellteilung, Zellwachstum und Photosynthese (Herstellung von Zuckern mit Hilfe des Sonnenlichts) beteiligt. Calmodulin arbeitet dabei wie eine Kommandozentrale, in der Informationen über den Zustand der Pflanze gesammelt werden. Als Nachrichtenträger dienen Calcium-Ionen, die sehr ungleichmäßig in den verschiedenen Teilen der Pflanze verteilt sind. Durch eine Berührung – so spekulieren Braam und Davis – könnten diese geladenen Teilchen schlagartig aus ihren Depots in den pflanzlichen Zellen freigesetzt werden. Jedes Calmodulin-Molekül bindet dann bis zu vier dieser Ionen gleichzeitig – je mehr Calcium vorhanden ist, umso mehr Bindungsstellen werden besetzt.

Abhängig von der Anzahl der gebundenen Ionen wählt sich Calmodulin unterschiedliche Reaktionspartner. Dadurch können weitere Eiweißmoleküle (cAMP-Phospodiesterase und ATPase) aktiviert werden, die direkt in den pflanzlichen Stoffwechsel eingreifen oder, Staffelläufern gleich, den Einsatzbefehl in die entferntesten Winkel der Zelle tragen. Das Rätsel der Thigmomorphogenese ist damit allerdings noch längst nicht vollständig gelöst. Es bleiben weitere Fragen: Was bewirken die beiden Eiweiße, die bisher noch nicht identifiziert werden konnten? Warum muss die Zahl der Calmodulin-Moleküle nach dem Berührungsreiz vermehrt werden? Strenggenommen, so betonen die Forscher ist sogar, ist noch nicht einmal bewiesen, „dass“ die gefundenen Eiweiße für die Wachstumshemmung verantwortlich sind.

(erschienen in der WELT am 19. Mai 1990. Letzte Aktualisierung am 8. März 2017)

Originalliteratur: Braam J, Davis RW. Rain-, wind-, and touch-induced expression of calmodulin and calmodulin-related genes in Arabidopsis. Cell. 1990 Feb 9;60(3):357-64.

Was ist daraus geworden? Mit mehr als 700 Zitierungen bekam diese Fachpublikation enorm viel Aufmerksamkeit von der Forschergemeinde. Beide Wissenschaftler sind heute noch aktiv, und Davis wurde noch mit 73 Jahren von der Zeitschrift The Atlantic für seine Erfindungen in der Biotechnologie als einer der größten lebenden Innovatoren geehrt.

Neuer Antikörper gegen AIDS

Ein neuartiger Antikörper, der die Vermehrung des Aids-Virus (HIV) zumindest im Reagenzglas verlangsamt, wurde von französischen Wissenschaftlern entdeckt. Antikörper sind Abwehrstoffe des Immunsystems, die fremde und körpereigene Substanzen an ihrer Oberflächenstruktur erkennen können. Durch Bindung der Antikörper an diese „Antigene“ können Eindringlinge wie Bakterien und Viren meist unschädlich gemacht werden.

Allerdings wurde bisher nur ein Antikörper gefunden, der die Vermehrung des Virus in HIV-Infizierten bremsen kann. Dieser Antikörper blockiert den Eintritt des Virus in seine Wirtszellen indem er die „Ankerplätze“ von HIV bedeckt.

Der neue Antikörper (anti-ß2 Mikroglobulin oder anti-ß2m) greift jedoch an einem anderen Punkt des Infektionszyklus an, wie Jean-Claude Chermann und seine Arbeitsgruppe nachwiesen. Anti-ß2m, so fanden die Forscher, wirkt nur, wenn er direkt nach dem Andocken des Virus vorhanden ist. Außerdem, so behaupten die Wissenschaftler, könne der Antikörper die Produktion neuer Viruspartikel im Reagenzglas vollständig verhindern, wenn er nach der Infektion über 72 Stunden hinweg vorhanden sei.

(unveröffentlichter Artikel vom Mai 1990. Letzte Aktualisierung am 8. März 2017)

Originalliteratur: Corbeau P, Devaux C, Kourilsky F, Chermann JC. An early postinfection signal mediated by monoclonal anti-beta 2 microglobulin antibody is responsible for delayed production of human immunodeficiency virus type 1 in peripheral blood mononuclear cells. J Virol. 1990 Apr;64(4):1459-64

Nervenzellen vermehrt

Forschern der amerikanischen John-Hopkins-Universität in Baltimore ist es gelungen, menschliche Nervenzellen (Neuronen) über einen Zeitraum von inzwischen bereits 19 Monaten in Kulturschalen am Leben zu erhalten. Die Zellen waren bei der Operation eines 18 Monate alten Mädchens gewonnen worden, das an einer Hirnkrankheit litt, der Megalenzephalie, bei der es zu fortlaufenden Teilungen unreifer Nervenzellen kommt.

Menschliche Nervenzellen überlebten in Kultur bisher nur kurze Zeiträume, was das Studium dieser Bausteine unseres Gehirns enorm erschwerte. Erstaunlicherweise gelang es den Forschern jetzt erstmals auch, die isolierten Neuronen zur Vermehrung anzuregen.

Beim Menschen sind alle Nervenzellen schon bei der Geburt vorhanden und teilen sich danach nie wieder. Eine Ausnahme bilden nur krebsartig entartete Neuronen, deren Untersuchung aber nur begrenzte Rückschlüsse auf die Funktion gesunder Nervenzellen zulässt. Die Arbeitsgruppe um Solomon Snyder beobachtete eine Verdoppelung ihrer Neuronen etwa alle drei Tage, wobei es gelang, diese Teilungszeit durch die Zugabe verschiedener biologischer Signalmoleküle zu beeinflussen.

Eine Reihe von Eiweißen, die nur in Nervenzellen vorkommen, konnten von den Forschern nachgewiesen werden. Außerdem entdeckten die Wissenschaftler in ihrer Zelllinie gleich fünf Botenstoffe (Neurotransmitter), die für die Weiterleitung von Nervenimpulsen zwischen einzelnen Zellen verantwortlich sind. Von dieser Zelllinie versprechen sich die Forscher in Zukunft neue Einblicke in die Arbeitsweise der Neuronen aus dem menschlichen Zentralnervensystem.

(erschienen in der WELT am 19. Mai 1990. Letzte Aktualisierung 8. März 2017)

Originalliteratur: Ronnett GV, Hester LD, Nye JS, Connors K, Snyder SH. Human cortical neuronal cell line: establishment from a patient with unilateral megalencephaly. Science. 1990 May 4;248(4955):603-5

Was ist daraus geworden? Solomon Snyder war schon damals kein Unbekannter, inzwischen wurde er mit Preisen überhäuft und zählt zu den Berühmtheiten seines Faches. Die beschriebene Arbeit wurde mindestens 140 Mal in den Veröffentlichungen anderer Forscher zitiert, und laut Google Scholar bringt Snyder es mit seinem Gesamtwerk mittlerweile auf mehr als 200000 Zitierungen (!) Einen Großteil unseres Wissens in den Neurowissenschaften verdanken wir Untersuchungen von Zellkulturen, auch wenn diese natürlich nicht alle Fragen beantworten können. Richtig zu stellen wäre noch mein Satz „Beim Menschen sind alle Nervenzellen schon bei der Geburt vorhanden und teilen sich danach nie wieder.“ Der fand sich damals so in jedem Lehrbuch, gilt aber heute nicht mehr.

Eierstöcke ersetzt

Forschern der Universität Edinburgh gelang es im Tierversuch, komplette Eierstöcke aus unreifen Eizellen wachsen zu lassen. In dem Experiment gewannen Roger Gosden und seine Kollegen zunächst Follikel aus den Eierstöcken sieben Tage alter Mäuse. Die Follikel wurden dann mit Blutplasma vermischt, wobei kleine, klebrige Klümpchen entstanden. Diese setzten die Forscher in kleine Einschnitte im Eileiter erwachsener, aber unfruchtbarer Tiere. Innerhalb von wenigen Wochen wuchsen sie zu vollständigen Organen aus. Das Experiment gelang sogar bei Tieren, denen der Eileiter vollständig entfernt worden war. „Diese Entdeckung eröffnet die Möglichkeit, Frauen zu helfen, die durch Chemotherapie oder Bestrahlung im Rahmen einer Krebsbehandlung sterilisiert wurden.“ Auch vor Krebsoperationen bei jungen Mädchen könnten möglicherweise zuvor die Eierstöcke entfernt und die darin enthaltenen Follikel im Erwachsenenalter reimplantiert werden.

(erschienen in der WELT am 12. Mai 1990)

Quelle: Vines G: Transplanted eggs can create ovaries. New Scientist, 10. Februar 1990

Was ist daraus geworden? Gosden ging 2010 in den Ruhestand und zählt heute zu den Pionieren auf diesem Forschungsgebiet. Zwei Jahre zuvor war das erste menschliche Baby geboren worden, das einem transplantierten Eierstock entstammt.

Rekombinante Hefe

Weltweit zum ersten Mal wird in Großbritannien die Herstellung eines gentechnisch veränderten Organismus als Lebensmittelzusatz erlaubt. Es handelt sich dabei um die Bäckerhefe (Saccharomyces cerevisiae), die zum Gären des Teiges unerlässlich ist.

Die Hefe erhielt zwei genetische Schalter (Promotoren) aus einem eng verwandten Stamm, es wurden also keine neuen Gene eingeführt. Durch die neuen Promotoren wird die Hefe befähigt, den Zucker Maltose schneller aufzunehmen und abzubauen. Bei dieser Reaktion wird Kohlendioxid freigesetzt, was den Teig lockert und zum schnelleren Aufgehen des Gemisches führt.

Die Hefe wurde von der zuständigen Genehmigungsbehörde als sicher eingestuft, weil der Austausch von genetischem Material innerhalb der gleichen Art stattgefunden habe. Für Brot, das mit Hilfe der genetisch veränderten Hefe hergestellt wird, soll es aus diesem Grund auch keine besondere Kennzeichnungspflicht geben.

(erschienen in der WELT am 12. Mai 1990)

Quelle: Aldhous, P. Modified yeast fine for food. Nature 344;386 (1990)

Was ist daraus geworden? Gentechnisch veränderte Organismen – sowohl Mikroorganismen als auch Pflanzen und Tiere – gibt es mittlerweile in Hunderten von Arten. Sie werden unter anderem zur Herstellung von Medikamenten und biologisch aktiven Molekülen genutzt, als Futter für Nutztiere und als Nahrungsmittel für den Menschen.

Nerv repariert

Mit der Chemikalie Polyethylenglykol (PEG) lassen sich durchtrennte Nervenfasern (Axone) wieder zusammenfügen. Todd Krause und George Bittner (Universität von Texas in Austin) gelang dieses Experiment beim Regenwurm. Einmal durchtrennte Nervenfasern zerfallen bei höheren Tieren normalerweise innerhalb von einigen Tagen. Eine Reparatur der Axone findet nur in seltenen Ausnahmefällen statt.

Die Wissenschaftler erzielten mit ihrer Methode an den relativ großen Nervenfasern des Regenwurmes eine Erfolgsquote von 80 bis 100 Prozent. Dazu tauchten sie die freien Enden der Axone zunächst in eine Salzlösung, mit der die Schnittstelle vollständig geöffnet wurde. Mit einer feinen Glaskanüle brachten die Forscher dann unter dem Mikroskop einen Tropfen PEG auf die Schnittstelle.

Innerhalb einer Minute gelang es ihnen, die meisten der getrennten Axone wieder zusammenzufügen. Die Funktion der Nervenfaser überprüften Krause und Bittner, indem sie den Transport von Farbstoffen durch die reparierten Fasern beobachteten. Auch die Leitung von elektrischen Impulsen wurde in mehreren Fällen nachgewiesen. Die Forscher erproben ihre Methode derzeit an den verhältnismäßig dünnen Axonen von Ratten und anderen Wirbeltieren. Sollten die Versuche erfolgreich sein, so Bittner, könne die Technik etwa in fünf Jahren auch beim Menschen angewendet werden.

(erschienen in der WELT am 5. Mai 1990. Letzte Aktualisierung am 7. März 2017)

Originalliteratur: Krause TL, Bittner GD. Rapid morphological fusion of severed myelinated axons by polyethylene glycol. Proc Natl Acad Sci U S A. 1990 Feb;87(4):1471-5

Was wurde daraus? Im Rückblick war dies eine bahnbrechende Arbeit. Die Technik ist weiterhin in Gebrauch, wurde aber weiterentwickelt, um die Reparatur durchtrennter Nerven zu fördern. Die Prognose einer Anwendung beim Menschen binnen fünf Jahren erwies sich aber als zu optimistisch. Dennoch scheint sich der Einsatz des Verfahrens zur Rettung von Nerven der klinischen Praxis zu nähern, folgere ich aus mehreren Reviews, in denen die obige Arbeit zitiert wird.